Godspeed Bd. 2 - Die Suche
springen, aber Victria hält mich auf. Ihre Hand zittert; sie ist nicht an das Gewicht einer Waffe gewöhnt und der Griff liegt unbequem in ihrer Hand. Was eigentlich keine Rolle spielt … sie braucht nur den Abzugsfinger zu krümmen und ich bin Geschichte.
Ich behalte sie im Auge und bemerke natürlich die Angst in ihrem Gesicht und den Schweiß, der an ihrem Hals herunterläuft. Sie will das nicht tun, will mich nicht verletzen, aber sie ist wie ein in die Enge getriebenes Tier, das zu allem fähig ist, wenn es sich bedroht fühlt. Also rühre ich mich nicht.
»Oh, Junior, ich habe doch versucht, dich zu warnen«, sagt Doc und nimmt Junior sanft die Drähte aus der Hand. »Ich habe dir doch gesagt, dass du dem Anführer folgen sollst.«
»Sie sind total irre !«, schreie ich ihn an. »Junior ist der Anführer!«
Doc dreht sich zu mir um und schaut mich böse an. »Ich habe gehofft, dass ein Ältester aus ihm wird. Ich habe ihm drei Monate Zeit gegeben. Aber als immer mehr Leute anfingen, ihn infrage zu stellen, musste ich erkennen, dass er ein hoffnungsloser Fall ist. Und dann war da noch Bartie .« Er spuckt den Namen förmlich aus.
Mein Blick huscht zu Bartie mit seinem grünen Pflaster im Nacken.
»Bartie hat geglaubt, er könnte eine Revolution anzetteln.« Doc verdreht die Augen. »Seine Versuche waren gar nicht schlecht – sich ins Floppy-Netzwerk und die Dra-Koms einzuhacken, war geradezu genial –, aber im Grunde ist er ein Niemand. Er wäre nie in der Lage, tatsächlich ein Revolutionsführer zu sein. Und außerdem«, fügt Doc hinzu, »hätte ich nie zugelassen, dass sich aus der Unzufriedenheit eine Revolution entwickelt. Sobald wir wieder einen richtigen Anführer haben, hat sich das Thema ohnehin erledigt.«
Mir gefällt gar nicht, wie er das Wort »erledigt« ausspricht – es klingt so endgültig.
Docs Blick wandert wieder zu mir. »Ich habe versucht zu helfen. Ich habe diese Medipflaster entwickelt, und als Junior sie nicht einsetzen wollte, tat ich es. Er hätte die Todesfälle nutzen sollen, um die Leute durch Angst zum Gehorsam zu zwingen. Und – hast du das getan?«, fragt er und starrt Junior ins reglose Gesicht. » Nein .« Er schubst Junior, der nicht reagiert und gegen die Phyduspumpe prallt. »Im Laufe der Zeit«, fährt Doc fort, »wurde immer deutlicher, dass er zurücktreten sollte. Er war es, der dem Anführer folgen sollte. Die Warnungen galten ihm .« Er drückt Junior einen Finger gegen die Brust. Junior starrt vor sich hin. Sein Körper ist ganz schlaff.
»Und Marae?«, frage ich.
»Ich habe versucht, mit ihr zu reden. Von allen auf dem Schiff hätte sie auf der Seite von Orion stehen sollen. Aber nein. Sie war für Junior.«
Doc legt die Drähte oben auf die Phyduspumpe. Die Droge ist im Moment nicht das Wichtigste für ihn. Er schlendert zurück zu Orions Kryo-Röhre.
»Es ist zu spät, Amy.« Doc seufzt. Seine Enttäuschung ist ihm deutlich anzumerken. »Was für ein Anführer Bartie auch werden wollte oder Junior eines Tages werden würde, Orion ist es schon längst. Sein einziger Fehler war, dir die Entscheidung über die Raumfähre anzuvertrauen. Ich habe dich Orions Botschaften finden lassen, obwohl ich sie eigentlich alle hätte zerstören sollen.«
Meine Gedanken überschlagen sich. »Wieso haben Sie mir Orions Dra-Kom gegeben?«, frage ich. »Sie hätten doch wissen müssen, dass sie uns zu den Hinweisen führt, die er hinterlassen hat!«
Doc schaut mich an. »Ich habe es getan«, sagt er, »weil Orion es wollte.«
Es ist tatsächlich so einfach. Man kann Doc ja vieles vorwerfen, aber zumindest ist er loyal. Nicht gegenüber dem Ältesten, nicht einmal gegenüber Orion und schon gar nicht gegenüber Junior. Er ist dem System gegenüber loyal. Dem System entsprechend sollte Orion der nächste Anführer sein und damit die Person, der Doc blind gehorcht – auch wenn er anderer Meinung ist.
Aber – das ergibt keinen Sinn. »Wenn Sie es waren, der mir den ersten Hinweis gegeben hat, wer hat dann den Gedichtband und den Hinweis in der Waffenkammer manipuliert?«
»Das war ich.« Doc kontrolliert eine Einstellung an Orions Kryo-Kammer.
» Sie? Aber – warum? «
Er sieht mich an, als könnte er nicht begreifen, wie begriffsstutzig ich bin. »Ich habe es nicht für mich getan. Dieses Schiff – alle an Bord – könnten sterben, wenn wir auf der Zentauri-Erde landen. Sterben . Aber«, fügt er hinzu, »ich bin nicht unvernünftig. Soll der
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