Godspeed Bd. 2 - Die Suche
richtigen Ältesten gegenüber, und das werde ich nie im Leben sein.
Ich bin so sicher, dass Doc mich nicht lebend aus diesem Raum lassen wird, dass ich beinahe damit rechne, dass Victria jetzt abdrückt und das Ganze beendet. Aber stattdessen gibt Doc in Orions Kryo-Röhre einen Code ein.
Dann dreht er sich wieder zu mir um. »Amy, ich bin kein Anführer. Das weiß ich. Ich will nur das tun, was ich allen anderen zu sagen versucht habe.«
»Folge dem Anführer«, sage ich leise.
»Genau. Es gibt keine Hoffnung mehr«, verkündet Doc. »Wir können nicht auf dem neuen Planeten landen. Aber hier können wir ohne Orion nicht überleben. Verstehst du es nicht? Wir brauchen einen richtigen Anführer. Nicht Bartie, nicht Junior. Wir brauchen unseren Ältesten. Das ist unsere einzige Hoffnung.«
Victria schaut zu Doc auf, aber er sieht nicht sie an, sondern mich. »Ich will einfach nur Orion wiederhaben«, sagt sie, aber Doc geht nicht darauf ein.
»Wir reden hier nicht über Hoffnung«, sage ich zu ihm, beobachte dabei aber Victria. »Wir reden von Vertrauen. Vertrauen darauf, dass die neue Welt besser sein wird als das hier. Und Vertrauen darauf, dass es das Risiko wert ist, auf den neuen Planeten zu gehen und nachzusehen, auch wenn es nicht besser sein sollte.«
Orions Kryo-Röhre fängt an zu piepen. Es ist ein lautes hallendes Geräusch.
»Da«, verkündet Doc, »der Regenerationsprozess beginnt.«
»Was?«, fahre ich ihn an.
»Ehrlich?«, fragt Victria und dreht sich zu Orion um.
Das ist meine Chance. Junior ist nicht der Einzige, der etwas in der Tasche hat – ich habe immer noch meine Phyduspflaster. Blitzschnell reiße ich die Verpackung auf, klatsche das Pflaster auf Victrias Arm und nehme ihr die Waffe aus den schlaffen Fingern.
Doc mustert mich und versucht herauszufinden, ob ich ihn erschießen werde.
»Es ist zu spät«, sagt er fast beiläufig. »Ich habe den Auftauprozess schon eingeleitet.« Das Licht über Orions Kopf leuchtet weiterhin grün. »Wenn du mich erschießt, wird er trotzdem aufwachen.«
Ich rücke langsam nach rechts auf Bartie zu, aber selbst wenn ich ihm das Pflaster abreißen würde, bliebe Phydus in seinem Körper. Von ihm kann ich keine Hilfe erwarten.
»Amy, du benimmst dich albern«, sagt Doc mit derselben Stimme wie bei unserer ersten Begegnung, als er gedroht hat, mich für den Rest meines Lebens unter Drogen zu setzen. »Du kannst nicht klar denken.«
»Kann ich doch«, widerspreche ich. »Ich will nicht, dass Orion über das Schiff herrscht.«
»Es besteht aber die Möglichkeit, dass Junior die Fähre nicht startet, das weißt du, oder?«
Er hat recht. Das weiß ich. Ich habe sein Zögern bemerkt und auch, wie er gegen meine erste Reaktion zum Thema Landung protestiert hat.
»Ich vertraue ihm«, sage ich. Und zwar viel mehr, als du denkst , füge ich in Gedanken hinzu.
Doc schüttelt den Kopf, als wäre ich eine Schülerin, die ihre Hausaufgabe nicht gemacht hat.
»Du glaubst doch nicht, dass ich mein ganzes Vertrauen in Victria gesetzt habe, oder?«, fragt er herablassend. Und dann zieht er seine eigene Waffe. Sie liegt komisch in seiner Hand. Genau wie Victria weiß auch er nicht, wie er sie halten soll. Aber so schwer sind Waffen nun auch wieder nicht zu handhaben. Das tödliche Ende ist auf mich gerichtet und mehr braucht es nicht.
Ich rücke meine Füße schulterbreit auseinander. Ich atme aus und spüre das kühle Metall des Abzugs an meinem Finger.
»Du kannst mich nicht erschießen«, sagt Doc.
»Da haben Sie recht«, antworte ich und drücke den Abzug.
67
Junior
Ich sehe alles wie in Zeitlupe. Der Knall der Waffe ist laut; eine beißende Rauchwolke, die schnell wieder verfliegt und einen kupferartigen, verbrannten Geruch zurücklässt. Doc bricht zusammen. Aus seinem Bein strömt Blut. Amy springt vor und klatscht ein hellgrünes Pflaster auf Docs Arm.
Ein weiterer Knall. Eine andere Waffe. Docs Waffe.
Amy fällt um und hält sich den Arm. Dunkelrotes Blut quillt durch ihre Finger.
Sie nimmt die Hand weg, aktiviert ihre Dra-Kom. Sie schreit.
Sie wankt zu Victria. Fällt neben ihr auf die Knie.
Ich sehe das alles, aber ich kann mich nicht bewegen, nicht reagieren. Alles ist so schwerfällig und langsam. Ich sehe nur zu, wie Amy kreischt und ihr die eigenen Schluchzer das Atmen erschweren. Amy presst beide Hände auf den großen roten Fleck auf der Vorderseite von Victrias Tunika. Auch aus ihrem eigenen Ärmel rinnt Blut, aber sie beachtet
Weitere Kostenlose Bücher