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Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Titel: Godspeed Bd. 2 - Die Suche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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einzige Kleidungsstück, das im Schrank hängt, ist die schwere Robe, die der Älteste zu besonderen Anlässen getragen hat. Ich lege die Decke zurück in den Karton und greife nach der Robe. Sie ist viel schwerer, als ich erwartet habe. Eindeutig Wolle – ich habe genug Wolle gekämmt und gesponnen, bevor meine Ausbildung beim Ältesten begann, um das wachsig-grobe Gefühl des Stoffs zu erkennen. Die Stickerei erstreckt sich über die gesamte Länge und Breite der Robe. Oben tanzen Sterne, am Saum wachsen Pflanzen, und dazwischen liegt ein Horizont, der niemals endet.
    Ich öffne den Verschluss und werfe mir die Robe über. Ihr Gewicht drückt meine Schultern herunter, sodass ich ganz krumm dastehe. Der Saum schleift auf dem Boden, und meine Brust ist nicht breit genug, um die Robe auszufüllen; die Sterne sehen aus, als würden sie abstürzen.
    Ich sehe einfach nur albern aus.
    Ich ziehe die Robe wieder aus und stopfe sie zurück in den Wandschrank.

8
    Amy
    Ich muss raus. Ich muss hier weg. Sofort. Ich kann auf keinen Fall noch länger bleiben. Nicht mit ihm. Weg. Nur weg. Jetzt. JETZT. Aber ich kann nirgendwo hin. Er tritt über die Schwelle und ist mit zwei großen Schritten bei mir. Luthor kommt mir so nahe, dass ich spüre, wie sich seine Hitze in meine Haut brennt. Ich atme tief ein, um loszuschreien. Luthor greift nach mir, der Schrei erstickt in meinem Hals und lässt mich atemlos zurück.
    Luthor streift mir die Kapuze ab. Er packt mein dunkelrotes Kopftuch, und als ich zurückzucke, fällt mir das Haar über die Schultern. Das Regal hinter mir ist wie eine unnachgiebige Wand. Luthors Hand gleitet über mein Gesicht und krallt sich in meine Haare. Er reißt fest an ihnen und zerrt mich zu sich. Ich wehre mich, so gut ich kann. Es ist mir egal, ob er mir die Haare ausreißt, ich will nur nicht, dass er glaubt, er hätte mich in der Hand. Ich greife hinter mich und ziehe zwei Bücher aus dem Regal. Als Luthor sich meine Haare um die Hand schlingt und mich damit zwingt, ihn anzusehen, hole ich aus und schlage ihm die Bücher rechts und links an den Kopf.
    »Auurgh!« , schreit Luthor – es ist ein beinahe unmenschlicher Schmerzensschrei. Er hält sich den Kopf und ein Schwall Schimpfworte – manche davon kenne ich, andere nicht – prasselt auf mich ein, als ich die Bücher fallen lasse und unter seinem Arm durchtauche.
    »Los, komm!«, schreie ich Victria zu, die immer noch hinter dem letzten Regal hockt. Ich packe sie am Handgelenk und zerre sie hinter mir her, aus dem Literatursaal in die Eingangshalle.
    Luthor folgt uns zwar, aber wir haben genügend Vorsprung, um es in den bevölkerten Teil der Halle zu schaffen, bevor er uns einholt. Ich bleibe stehen. Die Botschaft, die vorher noch dort zu lesen war, ist verschwunden, und die Floppys funktionieren wie immer. Eine kleine Frau in der perfekt gestärkten dunklen Uniform der Techniker steht beim Wissenschaft -Floppy und ist in ein Gespräch mit den Leuten vertieft, die vorhin das Antriebsdiagramm studiert haben. Ein paar der Anwesenden schauen auf, weil sie unser plötzliches Auftauchen erschreckt hat, aber der überwiegende Teil nimmt uns nicht zur Kenntnis.
    Luthor hat beide Arme in den Türrahmen zur großen Halle gestemmt und funkelt uns wütend an. Er wird uns jetzt nichts tun. Nicht vor all diesen Zeugen. Außerdem gibt es keine Paarungszeit mehr und kein Phydus. Er hat also keine Ausrede.
    Victria reißt ihre Hand aus meinem Griff los. »Danke«, murmelt sie.
    »Hey!« Luthors Stimme hallt durch den ganzen Raum. Die meisten Leute drehen sich zu ihm um, aber Victria zieht den Kopf ein und rennt zum Ausgang. Ich bleibe allein mitten in der Halle stehen. Luthor stößt sich vom Türrahmen ab und kommt auf mich zu.
    »Glaubst du, du kannst einfach so abhauen?«, brüllt Luthor.
    »Ich weiß, dass ich es kann«, sage ich und schaffe sogar ein paar Schritte in Richtung Ausgang, bevor er mich am Ellbogen packt und mich herumwirbelt.
    Ich sehe mich um. Alle beobachten uns. Ein paar sind näher gekommen, und ihre besorgten Blicke zeigen, dass sie überlegen, mir zur Hilfe zu kommen. Aber sie zögern. Weil er einer von ihnen ist. Und ich nicht.
    »Die Dinge haben sich geändert«, zische ich Luthor zu und befreie mich aus seinem Griff. »Du glaubst, du kannst dir alles nehmen, was du willst, aber das kannst du nicht.«
    Ich trete hastig zurück, denn ich will unbedingt verschwinden, bevor er mich noch einmal anfassen kann. Sein Lachen ist so widerlich,

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