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Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Titel: Godspeed Bd. 2 - Die Suche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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sich ihr Gewicht nach hinten verlagert. Ihr Gesicht löst sich von der Wand und sie hockt reglos auf den Fersen.
    Ich kenne sie.
    Ich versuche, alle Leute auf dem Schiff zu kennen, aber das geht nicht. Es sind zu viele und so sehr ich mich auch bemühe, ich kann sie nicht alle kennenlernen. Aber diese Frau kenne ich.
    Ihr Name ist Evalee und sie arbeitet im Nahrungsmittellager in der Stadt. Als ich klein war, habe ich eine Zeit lang bei ihrer Familie gelebt; ich weiß aber nicht mehr genau, wann das war. Ich glaube nicht, dass sie Phydus bekommen hat, während ich bei ihnen war. Später, als ich sie vor meinem Umzug aufs Regentendeck noch einmal besucht habe, stand sie jedoch ohne jeden Zweifel unter Phydus. Aber sie war immer freundlich zu mir. Sie hat mir Salbe auf die Hand gestrichen, als ich mich bei dem Versuch, Bohnenkonserven herzustellen, verbrannt habe, und sie hat keine Bemerkung über meine Tränen gemacht, obwohl ich doch alt genug war, um zu wissen, dass eine so kleine Verbrennung kein Grund zum Weinen ist.
    »Evie«, sage ich. »Ich bin es, Junior. Was ist mit dir?«
    Sie sieht mich an, aber ihre Augen sind so ausdruckslos, als stünde sie immer noch unter Drogen. Wie tot. Evie wendet sich nicht ab, aber sie hebt eine Hand und kratzt an der Wand neben sich.
    »Kein Weg nach draußen«, flüstert sie kaum hörbar.
    Ganz langsam dreht sie den Kopf zur Wand. So wie ein Kind den Kopf ins Kissen sinken lässt, legt sie ihren Kopf langsam wieder an die Wand. Ihre Fingernägel kratzen ein letztes Mal am Metall, so leise, dass ich es fast nicht hören kann. Ihre Hand sinkt nach unten auf den Boden und entspannt sich, ihre Handfläche zeigt nach oben.
    Doc betrachtet uns mit finsterer Miene. Ich sehe zu ihm auf.
    »Was fehlt ihr?«
    Doc kneift die Lippen zusammen und seufzt hörbar, bevor er antwortet. »Sie ist eine von meinen depressiven Patienten. Sie ist gestern verschwunden. Ich vermute, dass sie bis zur Erschöpfung an der Wand entlanggelaufen und schließlich hier gelandet ist.«
    Ich werfe einen Blick auf Evies Füße. Sie sind schmutzig und unter ihren Zehennägeln klebt schwarze Erde.
    »Was können wir tun?«, frage ich. Doch was ich eigentlich wissen will: Werden alle anderen auch so reagieren, wenn sie erfahren, dass das Schiff stehen geblieben ist? Ich dachte immer, das Schlimmste, was passieren kann, wäre eine Rebellion, aber angesichts dieser Depression, die die Menschen innerlich sterben lässt, fühle auch ich mich ganz am Boden zerstört. Was ist besser für uns – das Schiff in blinder Wut in Stücke zu reißen oder lautlos an den Wänden zu kratzen, bis wir aufhören zu atmen?
    Doc wirft seinem Lehrling einen Blick zu. Kit greift in die Tasche ihres Laborkittels und holt ein hellgrünes Medipflaster heraus.
    »Das ist der Grund, aus dem ich dich kontaktiert habe«, sagt Doc, als Kit das Medipflaster an mich weitergibt. »Ich habe ein neues Mittel gegen Depression entwickelt.«
    Ich drehe das Medipflaster um. Doc macht die Dinger selbst, mithilfe der Techniker im Forschungslabor. An einer Seite sind winzige Nadeln, ähnlich kleiner Metallspäne, die an einem Klebeband haften. Wenn man sich das Pflaster auf die Haut drückt, dringen die kleinen Nadeln ein und transportieren die Medizin direkt in den Blutkreislauf.
    »Benutzen Sie es«, sage ich und gebe es an Doc weiter.
    Doc nimmt das Medipflaster und hält es vorsichtig am Rand, um weder mit den Nadeln noch mit der Klebeseite in Berührung zu kommen. »Ich wollte dich erst fragen – ich wollte, dass du siehst, wieso es nötig ist, aber ich muss dich trotzdem erst fragen – ich habe diese Medipflaster mit Phydus gemacht.«
    Ich starre Doc an. Phydus? Ich hatte ihm doch aufgetragen, alle Vorräte der Droge zu vernichten. Was er offensichtlich nicht getan hat – aber er fürchtet mich nicht genug, um zu lügen und zu behaupten, es wäre alles weg.
    Und jetzt besitzt er die Frechheit, mich um Erlaubnis zu fragen, bevor er das Zeug einsetzt.
    Kit tritt hinter uns nervös von einem Bein aufs andere. Auch Doc scheint auf meine Reaktion gespannt zu sein. Nur Evie, die das Gesicht an die Wand presst und auf ihren schmutzigen Füßen hockt, ist alles egal.
    »Benutzen Sie es«, sage ich und stehe vom Boden auf. Doc reißt das Medipflaster auf, und ich höre das erleichterte Aufseufzen von Evie, als die Chemikalie in ihr Blut gelangt. Doc befiehlt ihr aufzustehen und ihm ins Krankenhaus zu folgen, was sie widerspruchslos tut.
    Ich gehe langsam

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