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Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Titel: Godspeed Bd. 2 - Die Suche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Revis
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vollkommen leer war.
    Und jetzt, wo Junior den Körper umdreht, damit wir das Gesicht sehen können, erkenne ich, dass das Mädchen von der Kaninchenfarm auch diesmal wieder einen leeren Blick hat.
    Ich lasse mich neben ihr auf die Knie sinken. Junior hat die Hand am Ohr; er ruft Doc und seine Polizei, aber dafür ist es zu spät. Viel zu spät.
    Beinahe abwesend registriert mein Gehirn die Einzelheiten, obwohl der Abscheu in mir aufsteigt. Die Arme des Mädchens sind weit ausgebreitet und sie hat blaue Flecke an den Handgelenken. An ihrem Hals zeichnen sich Fingerspuren deutlich ab. Ihr Rock ist hochgeschoben. Ihre Augen sind weit geöffnet und starren hinauf zur Metalldecke. Ein großes Kaninchen knabbert an ihrem nackten Fuß. Ihre Fußsohlen sind schmutzig und ihre Knie aufgeschürft, als wäre sie gerannt und mehr als einmal hingefallen.
    Sanft ziehe ich ihren Rock herunter bis zu den Knien, wo er fast die Schmutzflecken verbirgt, und dann drücke ich ihr die Augenlider zu.
    »Wer tut so was?«, fragt Junior.
    Wir können alles tun, was wir wollen , hat Luthor gesagt.
    Ich mache den Mund auf, aber es kommt kein Ton heraus. Ich versuche, mich zum Reden zu zwingen, aber alles, was ich hervorbringe, ist ein nahezu unhörbarer Laut meiner Angst.
    »Was ist passiert?«, ruft Doc, der durch die Felder auf uns zueilt. Seine Assistentin Kit folgt ihm.
    Doc beginnt mit der Untersuchung der Leiche. Ich weiß, dass ich im Weg bin, aber ich kann mich nicht bewegen, bis Kit mir eine Hand auf den Ellbogen legt und mich hochzieht. Sie führt mich von dem Mädchen weg und dreht mich zur Wand, weg vom Tod.
    »Hier«, sagt sie und hält mir etwas hin. Ein kleines grünes Medipflaster.
    »Nein«, sage ich automatisch. Ich werde den Medikamenten, die auf diesem Schiff hergestellt werden, niemals trauen.
    »Es wird dich beruhigen«, sagt Kit.
    »Nein.«
    Ich drehe mich wieder zur Leiche um. Junior und Doc knien neben dem Mädchen und reden eindringlich aufeinander ein. Ich glaube, sie streiten.
    »Junior!«, ruft jemand von der anderen Seite des Felds. Ich sehe eine Technikerin – groß und schlank und mit einem perfekten Haarschnitt – auf uns zurennen.
    Junior steht auf. »Marae, danke fürs Kommen.«
    »Du hast gesagt, dass ich kommen soll«, antwortet sie.
    Die drei stehen über der Leiche, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen. Junior und Doc diskutieren über die Autopsie, während Marae so schnell auf einem Floppy tippt, dass es aussieht, als würden ihre Finger über den Bildschirm fliegen. Auf Anweisung von Doc rennt Kit los, um einen Raum für die Untersuchung vorzubereiten. Kurz darauf kommen noch mehr Leute – sie alle tragen die makellose dunkle Kleidung der Techniker – und warten auf Anweisungen von Junior und Marae. Dann fängt einer die ausgerissenen Kaninchen wieder ein, ein anderer repariert den Zaun, wieder ein anderer holt einen Elektrokarren und lädt die Leiche des Mädchens auf.
    Ich stehe die ganze Zeit daneben. Ich kann nicht aufhören, das Gesicht des Mädchens anzustarren, ihre geschlossenen Augen, und mich zu erinnern, wie sie bei unserer ersten Begegnung geweint hat, ohne zu wissen warum.
    Junior handelt erstaunlich zielstrebig. Er ist der jüngste Mensch auf dem Schiff, sogar noch ein Jahr jünger als ich, aber jedes Mal, wenn er einen Befehl gibt, stürzen die Leute los, um ihn zu befolgen. Ich war zwar davon überzeugt, dass er der Anführer ist, den die Godspeed braucht, aber ich habe bisher noch nie gesehen , wie er tatsächlich das Kommando übernimmt. Jedenfalls nicht so. Und während es beweist, dass er in der Lage ist, dieses Schiff zu führen, was ich immer gewusst habe, führt es auch dazu, dass ich mich noch mehr als Außenseiterin fühle. Ich kenne ihn nicht. Oder vielmehr – ich kenne ihn, aber nur eine Seite von ihm. Ich kenne den Junior, der nett und fast so anhänglich wie ein Welpe ist, aber den Junior, der viel ältere Leute herumkommandiert und Befehle gibt, die sofort befolgt werden, kenne ich nicht. Dieser Junior könnte mir nicht fremder sein.
    »Ich werde versuchen, bei der Autopsie so viel DNA zu sammeln wie möglich«, sagt Doc, als zwei Techniker die Leiche auf den Elektrokarren legen.
    Ich würde gern sagen: Ich glaube, ich weiß, wer das getan hat.
    »Glauben Sie, dass genug zu finden ist, um den Mörder zu erwischen?«, will Junior wissen. »Ich verschaffe Ihnen Zugang zur biometrischen Scanner-Datenbank.«
    Doc setzt sich in Bewegung, um dem Karren zu

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