Godspeed Bd. 2 - Die Suche
riesiges, sorgloses Grinsen. »Ich bin gerührt. Also liegt dir doch etwas an mir.«
Mein Unterkiefer klappt herunter. »Du Idiot. Natürlich liegt mir etwas an dir.«
Er beugt sich kurz vor und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. »Dann hilf mir bei diesem Anzug.«
Ich bin zwar wütend, aber ich kann ihn nicht daran hindern. Ich kann aber wenigstens dafür sorgen, dass er so gut geschützt ist wie möglich. Ich nehme die beiden Hälften des Brustpanzers. Ich komme mir vor wie ein Burgfräulein, das ihrem Ritter in seine Rüstung hilft, wie ich es vor langer Zeit in einem Film auf der Sol – auf der Erde gesehen habe. Zum Beweis ihrer Liebe hat das Fräulein ein Andenken – ein kleines Tuch – in die Rüstung des Ritters gesteckt. Ich habe kein Tuch und bin nicht einmal sicher, ob ich Junior liebe, aber trotzdem schnalle ich den Brustpanzer so eng zu, dass er fast keine Luft mehr bekommt.
Ich überprüfe jeden Schritt immer wieder im Handbuch. Es kommt mir komisch vor, dass man für den Weltraum nichts anderes braucht als lange Unterwäsche und einen Plastikpanzer. Natürlich ist mir klar, dass sich die Raumanzüge seit den unförmigen weißen Dingern des 20. Jahrhunderts weiterentwickelt haben, aber dieses dünne Ding hier scheint mir nicht stabil genug zu sein. Allerdings habe ich vor dem Abflug Aufnahmen von den Männern und Frauen gesehen, die an der Godspeed gearbeitet haben, und deren Anzüge haben genauso ausgesehen.
Junior steigt erst in den einen, dann in den anderen Stiefel. Sie reichen ihm über die halbe Wade und als ich einen Knopf drücke, saugen sie sich an seinen Beinen an. Junior bewegt sich damit ungeschickt in die Mitte des Raums und dreht sich dann um, damit ich noch einmal alles überprüfen kann.
»Sieht gut aus«, muss ich zugeben.
»Jetzt fehlen nur noch der Helm und die Beatmungseinheit«, sagt Junior und greift nach dem Helm.
»Das hier zuerst.« Ich helfe Junior, die Arme durch die Träger des Rucksacks zu stecken, der in den harten Rückenpanzer einrastet.
Ich schließe die Drähte der Einheit an die Verbindungen an der Schulter des Anzugs an. »Das ist eine PÜE, eine Primäre Überlebenseinheit«, erkläre ich und verbinde den Schlauch mit der Unterkante des Helms. »Sie erhält dich am Leben – versorgt dich mit Sauerstoff, filtert Kohlendioxid aus, reguliert den Druck und all das.«
Ich klinke ein metallverstärktes Seil in einen Haken an der Vorderseite von Juniors Anzug ein. »Und das«, sage ich, »ist deine Verbindung zu mir – zum Schiff. Ich werde das andere Ende an der Luke einhaken. Der Abbildung zufolge gibt es extra einen Haken dafür.«
Junior nickt. Er sieht blass aus und auf seinem Gesicht glänzt der Schweiß.
Ich überlege, ob ich ihn küssen soll. Nur für alle Fälle.
Aber dann stülpe ich ihm doch nur den Helm über den Kopf und lasse ihn einrasten. Die PÜE hat nur zwei Stellungen – ein und aus – und so öffne ich die Klappe, schalte die Einheit ein und verriegle die Klappe wieder.
»Das ist reiner Sauerstoff«, sage ich laut. »Gewöhn dich jetzt schon daran, bevor du im All bist.«
Junior nickt, aber er hat so viel an, dass sein ganzer Oberkörper vor- und zurückschwankt. Ich beiße mir vor lauter Besorgnis auf die Lippe.
Junior poltert mit den klobigen Stiefeln ungeschickt hinter mir her zur Luke. Ich lasse das Ende seiner Rettungsleine in den Haken einrasten.
»Komm zu mir zurück«, flüstere ich Junior zu, aber ich habe keine Ahnung, ob er mich hören kann.
Ich trete zurück auf den Gang. Die Luke schließt hinter mir. Ich sehe durch das Bullauge. Junior hebt eine Hand als Startzeichen.
Langsam gebe ich den Code ein und zögere vor der letzten Taste. Soll ich das wirklich tun? Lohnt es sich, Orions großes Geheimnis zu lüften, wenn Junior dafür sein Leben aufs Spiel setzen muss?
Die Tür vor mir verriegelt knirschend. Durch das Bullauge kann ich einen letzten Blick auf Junior in seinem Bronzeanzug erhaschen. Plötzlich verspüre ich das irrsinnige Verlangen, die Tastatur aus der Wand zu reißen, damit sich die Außenluke nicht öffnet.
Aber es ist zu spät. Sie geht auf.
Und Junior ist weg.
37
Junior
Meine Arme und Beine fühlen sich so schwer an, als würde ich durch schlammiges Wasser waten. Durch den Raumanzug wirkt alles irgendwie gedämpft. Amy schließt die Tür zum Schiff; ich kann ihr besorgtes Gesicht durchs Fenster sehen und das gewölbte Glas verstärkt ihre panische Miene noch mehr. Das Schloss
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