Godspeed Bd. 2 - Die Suche
dünner, und obwohl ich mit geblähten Nasenlöchern und offenem Mund nach Luft schnappe, tanzen schwarze Flecken vor meinen Augen. Ich kriege keine Luft mehr. Etwas stimmt nicht mit der Überlebenseinheit auf meinem Rücken – der Sauerstoff scheint verbraucht zu sein.
Ich will Hilfe rufen – ich hebe die Hand zu meinem Hals und stoße gegen den harten Helm, bevor mir klar wird, dass ich meine Dra-Kom natürlich nicht erreichen kann.
Das Seil, das mich mit dem Schiff verbindet, ist sicher nur zehn Meter lang, aber es kommt mir trotzdem vor, als wäre die Godspeed genauso weit weg wie die vielen Sterne, die mich umgeben. Ich fange an, mich in Richtung des Schiffs zurückzubewegen, eine Hand nach der anderen hangele ich mich am Seil entlang und schwimme durchs Nichts auf die sichere Luke zu.
Je mehr ich daran denke, nicht zu atmen, desto dringender wird das Verlangen nach Luft.
Ich schnappe nach dem Seil, aber meine Hand rutscht ab. Die Bewegung lässt mich davontreiben, bis mich das Ende des Seils wieder zurückreißt.
Ich habe die ganze Zeit das Schiff angesehen und in die Richtung geschaut, aus der wir gekommen sind. Aber jetzt sehe ich hinter mich, in die Richtung, in die das Schiff zeigt. Und jetzt begreife ich auch, wieso die Godspeed zu glühen scheint. Das hier … hätte ich nie erwartet. Wie konnte Orion das geheim halten? Wie konnte irgendwer das geheim halten? Es ist – es ist alles – es ist –
Da am Sternenhimmel, direkt vor mir –
Es ist ein Planet.
38
Amy
Ich starre durch das Bullauge hinaus, aber ich nehme die Sterne kaum wahr, denn ich habe nur Augen für das Seil, das Junior mit mir verbindet.
Ich zähle die Sekunden. Das Seil zuckt. Und ich weiß:
Da stimmt etwas nicht.
39
Junior
Ich kann nicht atmen, aber das liegt nicht am Sauerstoffmangel. Es liegt daran, dass alles an mir – meine Lunge, mein Herz, mein Gehirn – einfach stehen geblieben ist, als ich diese blaue und grüne und weiße Kugel vor mir schweben sehe.
In der Ferne kann ich Zentauri A und Zentauri B sehen, die beiden Sonnen, die das Zentrum dieses Sternsystems bilden. Verglichen mit den anderen Sternen sind sie so hell und groß, dass sie vor meinen Augen zu glühenden Kugeln aus gleißendem Eis verschmelzen.
Aber ich sehe sie nicht lange an.
Ich starre zu dem Planeten.
Das – das hier – ist Orions Geheimnis. Es ist nicht die Tatsache, dass das Schiff nicht mehr fliegt und wir es nie schaffen werden.
Nein, das Geheimnis ist, dass wir längst angekommen sind.
Wir sind schon da. Dies ist der Planet, der unser neues Zuhause sein wird.
Er schwebt im All, so grell, dass mir meine Augen wehtun. Riesige grüne Landmassen breiten sich über blaues Wasser aus und darüber ziehen dünne Wolken. Am Rand des Planeten, wo der Schatten der beiden Sonnen anfängt und es dunkler wird, kann ich helle Lichteffekte sehen – ein weißes Aufflackern in der Dunkelheit – und ich denke: Ob das Blitze sind? In der Mitte, wo das Licht der Sonnen den Planeten aussehen lässt, als würde er von innen heraus glühen, kann ich deutlich einen Kontinent erkennen. Einen Kontinent . An einer Seite ist er so zerklüftet wie eine aufgebrochene Eierschale und dunkle Linien ziehen sich tief in die Landmasse. Flüsse. Unmengen davon. Aber vielleicht auch etwas Größeres, soweit ich es von hier aus sehen kann. Landzungen erstrecken sich wie Finger ins Meer hinaus und knapp außerhalb ihrer Reichweite liegen kleine Inselgruppen. Dort wird es immer kühl sein , denke ich. Auf den Flüssen werden Boote fahren und wir können im Wasser schwimmen.
Ich sehe mich bereits dort leben. Sehe mich ankommen.
Auf einem Planeten, der nachts zu einer Million Sonnen aufschaut und der tagsüber von zwei Sonnen beschienen wird.
Am liebsten würde ich schreien vor Freude. Aber die Luft ist jetzt so dünn.
Zu dünn.
Ich habe zu viel Zeit damit verbracht, Orions Geheimnis zu betrachten.
Das buup … buup … buup … verblasst. Es gibt nichts mehr zu warnen.
Denn die Luft ist verbraucht.
Mir wird schwarz vor Augen. Mein Puls hämmert in meinem Kopf, was sich genauso laut anhört wie vorher der Alarmton. Ich wende mich vom Planeten – meinem Planeten – ab und beginne erneut, mich am Seil in Richtung Luke zu hangeln. Das Schiff taucht bei jedem Zug meiner Arme kurz in meinem Sichtfeld auf. Ich bin in Panik und kämpfe darum, nicht das Bewusstsein zu verlieren. Ich schnappe nach Luft, aber da ist nichts mehr zu schnappen. Ich
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