Godspeed Bd. 2 - Die Suche
drücke dagegen, aber sie rührt sich nicht. Ich stemme mich noch einmal mit meiner ganzen Kraft dagegen. Meine Schuhe rutschen weg und pflügen tiefe Furchen in die Erde.
Die Tür geht auf.
Dahinter ist es dunkel.
Die Tür lässt sich nur einen Spaltbreit öffnen und ich muss mich richtig durchzwängen. Mit dem wenigen Licht, das vom Versorgerdeck in die Dunkelheit fällt, kann ich immerhin den großen Türgriff auf der Innenseite erkennen, einen Fußboden aus Metall und eine kleine Box in Augenhöhe an der Wand.
Und Stufen.
Ich drücke von innen mit aller Kraft gegen die Tür und das sechs Zentimeter dicke Ding fällt krachend zu. Sofort gerate ich in Panik und zerre an dem riesigen Türgriff, bis die Tür wieder ein Stück weit aufgeht und ich den Geruch von Gras und Erde vom Versorgerdeck in die Nase bekomme.
Hier drinnen ist es still und leer. Ich hole tief Luft und nehme das Geräusch meiner Anwesenheit stärker wahr als den Geschmack von Staub und abgestandener Luft.
Ich sehe überhaupt nichts in dieser totalen Dunkelheit. Also taste ich die kühle Metallwand ab, bis meine Finger gegen die kleine Box an der Wand stoßen, die mir aufgefallen ist, als ich die Tür geöffnet habe. Der Deckel lässt sich nach oben aufklappen und darunter ist ein Lichtschalter, der mich an die von der Erde erinnert. Ich hätte mir denken müssen, dass die Lichter auf diese Weise eingeschaltet werden – immerhin gehört dieser Bereich zum ursprünglichen Design des Schiffs.
Aber es sind keine Deckenlampen, die hell werden; stattdessen beginnt die Treppe zu glühen. Meine Füße machen ein dumpfes Geräusch auf dem Metallboden, als ich näher an die Stufen herangehe. Winzige LED-Lämpchen rasen an beiden Seiten der Treppe am Geländer hoch und eine dünne Lichtspur markiert die Vorderkante jeder Stufe. Die Lämpchen verlaufen in Plastikschläuchen, ähnlich der Außenbeleuchtung zu Weihnachten.
Bisher hätte ich nur Weihnachten denken müssen und mich sofort an meine Vergangenheit auf der Erde erinnert und einem Leben nachgetrauert, das ich nie wiederbekommen würde.
Aber jetzt kann ich das Wort denken und spüre nichts außer einem Schmerz, eine Art Phantomschmerz von einem Teil meines Lebens, der amputiert wurde.
Ich schüttele den Kopf und lege eine Hand aufs Geländer. Der Lichtschlauch lässt meine Finger rosa schimmern. Ich betrete die erste Stufe und schaue nach oben – die Treppe ist so hoch, dass ich an ein Parkhaus denken muss. Ich versuche zu zählen, wie oft sich die Treppe wendet, aber weiter oben verschmelzen die kleinen Lichter schon miteinander. Die Godspeed ist so groß wie ein Wolkenkratzer. Als ich das letzte Mal in New York war, habe ich versucht, die Stufen des Empire State Building hochzusteigen. Ich habe mit meinen Eltern gewettet, wer zuerst oben ankommt. Im vierzigsten Stockwerk musste ich aufgeben und da hatte ich noch nicht einmal die Hälfte geschafft. Und diese Treppe ist doppelt so breit und führt den ganzen Weg vom Versorgerdeck hinauf zum Regentendeck, wo Junior ist.
Aber was ist mit dem Kryo-Deck? Wo ist die Treppe, die dorthin führt?
Ich lasse die Stufen hinter mir. Auf der anderen Seite der Wand ist eine Nische – und jenseits davon der Planet. Das ist merkwürdig. Die Wand des Versorgerdecks ist eindeutig dünner – ich spüre einen Hauch von Wärme im Metall und die Tür zum Treppenhaus ist auch nur so dick wie die Wand. Andererseits wirken die Außenwände so massiv. Stahlträger folgen der Rundung des Dachs auf dem Versorgerdeck. Die Nieten in dieser Wand sind viel dicker und haben die Größe meiner Handfläche.
Ich lege die Hand an das Metall und meine Finger sind sofort mit einem rötlich braunen Staub bedeckt.
Auf dem Versorgerdeck, wo es luftig, hell und warm ist, fühle ich mich immer wie eine Gefangene. Aber hier, umgeben von dicken, schweren Wänden in einem engen Treppenhaus, bei matter Beleuchtung und mit nichts um mich herum außer dem Geruch von Metall und Staub – hier fühle ich mich der Außenwelt viel näher.
Der Freiheit.
Kurze Zeit später entdecke ich eine schmalere steile Treppe, die abwärtsführt, vermutlich aufs Kryo-Deck. Ich würde zu gern nachsehen – denn eigentlich kann die Treppe nur in den letzten noch verschlossenen Raum führen. Aber ich kann das nicht ohne Junior tun. Es wäre nicht richtig, das Schiff ohne ihn zu erkunden.
Ich kehre zurück zur Tür ins Versorgerdeck. Orion hat gesagt, dass er hier gelebt hat, als er sich vor dem
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