Godspeed Bd. 2 - Die Suche
wieder den Kopf ein. Am Teich haben sich ein paar Leute versammelt, unter ihnen auch die, die gestern darüber diskutiert haben, Junior aus dem Amt zu jagen.
»Und es gab schon wieder kein Mittagessen«, tönt es aus der Gruppe. Ich schaue kurz auf; Bartie steht in der Mitte auf der Bank am Teich.
Am liebsten würde ich hinrennen und ihn in den Teich schubsen. Bisher hatte Bartie eigentlich nett und eher ruhig gewirkt, aber jetzt, wo die Dinge immer mehr außer Kontrolle geraten, steht er dauernd im Zentrum der Ereignisse.
Ich haste mit gesenktem Kopf den Pfad entlang. Vermutlich stoße ich deshalb mit einem Pärchen zusammen, das auf dem Weg zu der kleinen Versammlung am Teich ist.
»Oh, entschuldige!«, sagt die Frau freundlich.
»Wohin willst du?«, fragt der Mann. Ich zögere – nur einen Augenblick. Ich kenne diese Stimme.
Luthor.
Ich hätte sofort losrennen sollen, aber mein kurzes Stocken gibt Luthor die Gelegenheit, meine Schulter zu berühren. Ich spähe unter der Kapuze hervor und werfe einen Blick auf sein Gesicht. Die Prellungen, die Victria und ich ihm verpasst haben, sind jetzt blaugrün. Sein linkes Auge ist immer noch geschwollen und auf der Platzwunde an der Lippe hat sich dicker Schorf gebildet.
»Komm mit uns«, sagt er, denn er hat mich immer noch nicht erkannt. »Bartie spricht darüber, wie wir auf dem Schiff ein System einführen können, das gerechter ist.«
Er zieht mich an der Schulter herum. Ich versuche, mich loszureißen, und dabei rutscht mir die Kapuze vom Kopf. Einen Moment lang sehe ich in Luthors verblüfftes Gesicht, aber dann verengen sich seine Augen zu bösartigen Schlitzen.
Luthor grinst so breit, dass ich all seine Zähne sehen kann. Dabei reißt die Wunde an seiner Lippe wieder auf und fängt an zu bluten, aber das scheint ihn nicht zu stören. Er packt meine Schulter so fest, dass ich vor Schmerz scharf einatme.
»Komm schon«, drängt die Frau. »Wir wollen den Freak nicht dabeihaben.«
Luthor lässt mich plötzlich los und schubst mich weg, sodass ich über den Pfad stolpere. Lachend setzen die beiden ihren Weg zum Teich fort.
»Ich wollte sowieso nicht dabei sein!«, schreie ich ihnen hinterher. Das Paar bleibt stehen. Aber bevor sich die beiden zu mir umdrehen, renne ich in Richtung Schwerkraftröhre davon.
Da diese Röhre nur von Junior benutzt werden kann, ist zum Glück niemand in der Nähe. Ich lehne mich nach hinten und starre an der hellen Plastikröhre hoch, die durch die Decke bis ins Regentendeck hinaufführt.
Es ist verrückt, aber am liebsten würde ich sofort die Dra-Kom an meinem Handgelenk aktivieren und mich zu Junior hochbefördern lassen. Ich kann den Geschmack seines Kusses nicht von meinen Lippen bekommen.
Aber dann schüttele ich den Kopf und richte meine Aufmerksamkeit auf die Wand hinter der Röhre. Normalerweise meide ich die Wände des Schiffs. Aus der Ferne kann man die Schweißnähte ausblenden und sich einreden, dass es kein himmelblauer Anstrich ist, sondern der echte Himmel. Aber aus der Nähe riecht man das Metall, hat seinen ekligen Geschmack im Mund, der an Blut erinnert, und wenn man es berührt, fühlt es sich kalt und stumpf an.
Ich klopfe mit den Fingerknöcheln an die Stahlwand. Das hat mein Dad in unserem Haus auch immer getan, wenn er eine passende Stelle gesucht hat, um ein Bild aufzuhängen. Vielleicht verrät mir auch hier das Geräusch, was sich hinter der Wand verbirgt. Einen Augenblick lang muss ich wieder daran denken, wie ich das letzte Mal gegen die Wände gehämmert habe, schreiend und schluchzend und auf der verzweifelten Suche nach einem Ausweg. Da hat Orion mich gefunden, damals einer der wenigen netten Menschen auf diesem Schiff, und ich war sicher, in ihm einen Freund gefunden zu haben. Keinen Mörder.
Ich konzentriere mich auf das Geräusch meiner Knöchel an der Wand. Klopf-klopf. Klopf-klopf. Klopf-klopf. Hier ist nichts. Klopf-klopf. Klopf-klopf. Klopf-klopf. Was mache ich hier eigentlich? Ich muss aussehen wie eine Idiotin. Klopf-klopf. Klooopf-klooopf.
Meine Hand erstarrt. Ein kleines Stück rechts neben dem Podest der Schwerkraftröhre hallt die Wand deutlich hohl. Ich sehe genau hin.
Und tatsächlich entdecke ich etwas, das unter der Staubschicht kaum auszumachen ist.
Eine feine Trennlinie in der Wand.
Ich fahre mit den Fingern um das, was ich mittlerweile als Tür erkannt habe. Es gibt keinen Türgriff und auch keine sichtbaren Scharniere, also muss die Tür nach innen aufgehen. Ich
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