Goebel, Joey
eine Person, die weiße Socken trug und wie eine Ente watschelte, allerdings wie eine Ente mit hübschen Beinen. Sie lächelte lieb und kniete sich nieder, um das Essen wieder auf Blue Genes Tablett zu legen. Als er ihr dankte, sagte sie, sie werde ihm mit seinem Tablett helfen, und fragte, wo er saß. Er schaute hoch in ihre dunklen, tiefliegenden Augen und fragte, wo sie denn sitze.
Sie waren die letzten drei Jahre auf dieselbe Schule gegangen, doch erst jetzt hatte Blue Gene Cheyenne Staggs zum ersten Mal wirklich wahrgenommen.
Mitten in all der samstäglichen Betriebsamkeit im WalMart – den nach Angeboten gierenden Familien, die herbeieilten, um preiswerte Schusswaffen und Fitnesstrikots zu kaufen, den wie benommen aus dem Laden kommenden Konsumenten, die überlegten, wo sie ihr Auto geparkt hatten, während sie von überfüllten Einkaufswagen weitergezerrt wurden, den großspurigen Männern, die auf und ab schritten, während sie in ihre Handys quasselten –, tauchte Cheyennes Tochter Savannah in knallengen Shorts und einem hellgrünen Neckholder-Top auf. Blue Gene schätzte sie auf ungefähr dreizehn, und während sie näher watschelte, bezeugte der Pickelausbruch auf ihrem mürrischen Gesicht, dass sie ein Teenager war. Ein älter aussehender Mann in [330] einem Basketballtrikot und mit dem Auftreten eines Warzenschweins begleitete sie.
»Hi. Wählt Mapother«, sagte Blue Gene, als sie vorbeigingen. Er wusste nicht, wie er sie ansprechen sollte. »Weißt du noch? Ich hab mal mit dir zusammengewohnt, als du noch klein warst« zu sagen wäre irgendwie falsch gewesen.
Blue Gene und Arthur trafen sich in letzter Zeit wenigstens zweimal die Woche. Sie spielten mit ihren Transformers und G.I. -Joes, sammelten Leuchtkäfer und beschossen einander mit Papierkügelchen und überprüften, ob Arthur wieder einen Millimeter gewachsen war, weil es den Jungen im Moment brennend interessierte. Sie sprachen auch über seinen Schultag, hielten sich aber nie lange bei diesem Thema auf, da Arthur nicht gern zur Schule ging. Als Einziges schien ihm an der ersten Klasse zu gefallen, dass er in der Nähe »von diesem strohblonden Mädchen« sein konnte, das er mochte, was Blue Gene gern hörte, weil es bewies, dass Arthur nicht schwul war, obwohl ihm High School Musical gefiel. Ehe der Abend vorbei war, landeten sie immer vor dem Fernseher, manchmal sahen sie etwas im Disney Channel, manchmal Big Brother.
Einmal wollte Arthur von Blue Gene wissen, warum die Leute, die im Big-Brother-Haus festsaßen, so miteinander umsprangen, sich gegenseitig belogen und kränkten. Blue Gene antwortete, das liege vermutlich am Geld, was Arthur saukomisch fand. Als Blue Gene ihn fragte, was denn daran so lustig sei, antwortete Arthur, »der Weihnachtsmann kann mich mal«.
Nicht lange nachdem Cheyennes Tochter an Blue Gene vorbeigegangen war, klingelte sein Handy. Obwohl er sich [331] sehr bemühte, cool zu bleiben, wurde Blue Gene jedes Mal ganz aufgeregt, wenn sein Telefon klingelte, weil er dachte, es könnte Jackie sein. Seit ihrem Spaziergang vor zwei Wochen hatte er sie zweimal angerufen. Beide Male hatten sie sich ausführlich unterhalten, und er hatte ihr gesagt, sie könne ihn jederzeit anklingeln. Das hatte sie noch nicht gemacht, aber sie wusste, dass er das ganze Wochenende vor dem Wal-Mart sein würde, und sie hatte gesagt, sie werde vielleicht vorbeikommen.
»Mapother«, meldete er sich, hörte aber am anderen Ende nur wirres Gemurmel eines überfüllten öffentlichen Ortes. Nachdem er mehrmals »Hallo« gebrüllt hatte, ohne dass jemand reagierte, hörte er, wie John sich mit einem anderen Mann über Tennis unterhielt. Als er merkte, dass John versehentlich die Wähltaste gedrückt hatte, unterbrach Blue Gene fluchend die Verbindung. Jackie würde nicht anrufen, und sie würde auch nicht vorbeikommen, doch das machte nichts. Wenn er eins im Leben gelernt hatte, dann, dass Frauen die Macht besaßen, einen guten Tag in einen schlechten zu verwandeln. Andererseits konnten sie auch einen schlechten Tag in einen guten verwandeln.
Durch Bowlingbahnen und die Rennbahn, durch Straßenfeste und den Flohmarkt, durch Warenhäuser und Kneipen hatten Blue Gene und Cheyenne gemeinsam das Leben mit einer Hand tief in der Gesäßtasche des anderen durchschritten. Sie fanden rasch zueinander. Ihr draller Körper erregte als Erstes seine Aufmerksamkeit, besonders nachdem sie ihn zu einem ihrer Auftritte in Sassy’s Gentlemen’s Club
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