Goebel, Joey
einem Studium vor. Henry und Elizabeth redeten den ganzen Sommer lang auf ihn ein, doch er konnte nur wiederholen, er wolle sein eigener Herr sein und sein eigenes Geld verdienen.
Im selben Sommer kaufte Cheyenne einen Trailer und bat Blue Gene sofort, bei ihr einzuziehen, doch er wusste, dass es der falsche Zeitpunkt war. John machte eine Entziehungskur in der Hazelden-Klinik in Minnesota, und Blue Gene wusste, dass er zu Hause bleiben sollte, falls ihn seine Mutter brauchte. Als John zurückkam, sagte er, er habe während seiner Abwesenheit nicht nur Gott gefunden, sondern auch eine neue Gefährtin, Abby. Da zur Abwechslung einmal alles im Mapother’schen Haus im Lot zu sein schien, zog Blue [335] Gene kurz nach seinem einundzwanzigsten Geburtstag aus, etwa um die Zeit, als er – dank seiner wöchentlichen Physiotherapie – keinen Stock mehr brauchte.
Als im Zuge der Streitereien zwischen Blue Gene und seinen Eltern klar wurde, dass seine Freundin Cheyenne eine Stripperin und Mutter war, brach im Mapother’schen Haushalt die Hölle los, was Blue Gene das Ausziehen erleichterte. In den nächsten beiden Jahren erhielt Blue Gene einen gewissen Kontakt zu seiner Familie aufrecht. Anfangs schaute er noch in seinem früheren Zuhause vorbei, wann immer ihm danach war, später hielt er es für nötig, vorher anzurufen. Nur zwei Mal brachte er Cheyenne zu stocksteifen Familienessen mit, bei denen Henry und Elizabeth die miefige Ausstrahlung »einfacher Leute« bemerkten, die von Blue Genes Seite des Tisches ausging. Nachdem Elizabeth ihm am Telefon gesagt hatte, seine Freundin sehe »sogar unmoralisch aus«, gelobte er, Cheyenne nie wieder in sein Elternhaus mitzubringen.
Die große Entfremdung gewann eine ganz neue Dimension, als Blue Gene Henry und Elizabeth verkündete, er werde Vater. Das war die einzige Gelegenheit, an die Blue Gene sich erinnern konnte, bei der sein Vater das Wort »Scheiße« benutzte. Elizabeth wiederholte mehrmals, sie habe ihn gewarnt, dass so etwas passieren würde, dass dieses Flittchen sich von ihm schwängern lassen werde, damit sie Blue Gene einfing und sein ganzes Geld bekam. Henry sagte zu Elizabeth, sie solle es gut sein lassen… wenn ihr Sohn sein Leben ruinieren wolle, sei das seine Entscheidung. Dann wandte er sich an Blue Gene mit den Worten, falls er sein Lotterleben fortsetze, falls er nicht zur [336] Besinnung komme und studiere und falls er sich ein Leben lang an diese Trailerparknutte binde, sei er nicht länger sein Sohn. Falls Blue Gene weiter diesen Pfad der Verkommenheit beschreite, sagte Henry, sei er nie wieder in seinem Haus willkommen.
Cheyennes Fehlgeburt beendete zwar die Schwangerschaft, doch Blue Gene war entschlossener denn je, sein eigener Herr zu sein. Die Entfremdung hielt die nächsten vier Jahre an, bis Henry und John beschlossen, Elizabeth solle Blue Gene einen Besuch abstatten. In der Zwischenzeit hatte Blue Gene nicht nur sein ungeborenes Kind verloren, sondern nach und nach auch Cheyenne, die nur noch nach dem Vierundzwanzigstundenrausch strebte. Er merkte, dass sie ihre Tage lieber damit verbrachte, Schäferhunden (echten wie eingebildeten) aus dem Weg zu gehen, als sich wie früher mit ihm im Freien oder im Bett zu entspannen. Mehrmals trennten sie sich und kamen wieder zusammen, bis er sie schließlich nicht wieder in den Wohnwagen einziehen ließ, für den er schon seit geraumer Zeit alle Ausgaben bestritt. Knapp ein Jahr nach ihrer endgültigen Trennung starb Cheyenne an einer Überdosis, was Blue Gene nicht im Geringsten überraschte. Doch auch nach ihrem Tod blieb sie in seinem Dunstkreis wie eine Wolke und bestimmte noch geraume Zeit all seine Handlungen. Natürlich hatte Blue Gene auch den letzten Rest Elan, den er einmal besessen hatte, mit Anfang zwanzig verloren, hauptsächlich weil er bei Wal-Mart Paletten ausladen musste. Doch nach Cheyennes Tod verblassten seine Lebensgeister noch viel mehr, bis er befand, aus diesem Trott käme er nur hinaus, wenn er genau das täte, was er schon immer tun wollte. Und seit Bernice [337] ihn als kleines Kind auf Flohmärkte mitgenommen hatte, hatte er seinen eigenen Flohmarktstand haben wollen. Die Entscheidung, was er an seinem Stand verkaufen sollte, fiel ihm leicht, denn mehr als alles andere hatte er Spielsachen.
Von allen Begegnungen, die Blue Gene an diesem Labor-Day-Wochenende mit den Menschen hatte, die er aus seiner wechselhaften Vergangenheit kannte, war keine für sein weiteres Leben so
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