Goebel, Joey
angezogen, auf dem ein faszinierendes Bild zu sehen war. Es stellte eine Strandszene mit surrealistischen Palmen und einem aus [504] dem lavendelfarbenen Meer springenden Wesen dar, halb Delphin, halb Hund. Dann sah Elizabeth, dass überall am Rand des Raums Künstler mit ihren eigenen Wandabschnitten beschäftigt waren. Ihre Gesichter sah sie nicht, denn alle waren in ihre Arbeit vertieft.
Plötzlich kam ein zappliger Golden Retriever auf Elizabeth zugerannt und schnupperte begeistert an ihr.
»Labradoria! Lass das! Du machst ihr überall Haare auf den Hosenanzug.« Bernice packte die Hündin am Halsband und riss sie zurück, doch Labradoria war zu stark für sie. Das Tier schnupperte weiter an Elizabeth, die reichlich Chanel No.5 aufgetragen hatte. »Keine Sorge. Die greift Sie schon nicht an. Aber vielleicht leckt sie Sie zu Tode.«
Elizabeth lachte nervös und tätschelte den Kopf des Hundes mit den Rücken ihrer Finger, ehe sich das Tier trollte, um jemand anderen zu beschnuppern.
»Blue Gene erlaubt, dass die Leute ihre Haustiere mitbringen. Labradoria ist ein Straßenköter, den jemand mitgebracht hat, und er lässt sie einfach bleiben.« Das erklärte, weshalb überall in der Halle Hunde und Katzen herumliefen. In der Nähe des Eingangs gab es einen abgetrennten Bereich, wo Hunde und Katzen sich ausruhten und schliefen. Daneben stand ein riesiges Trampolin, auf dem ein paar Kinder fröhlich kreischend herumhopsten.
»Nachdem sein Hund gestorben war, haben wir John kein Haustier mehr erlaubt«, sagte Elizabeth, »das holt er jetzt offenbar nach.« Sie gingen weiter, vorbei an einem Campingzelt, in dem sich einige ausnahmslos schwarz gekleidete Jugendliche aufhielten. » Wohnt Gene denn hier?«
»Ja. Er hat sich oben ein kleines Schlafzimmer [505] eingerichtet. Wussten Sie, dass es in jedem Wal-Mart ein Obergeschoss gibt?«
»Nein.«
»Ich auch nicht. Ich fand das interessant. Normalerweise haben sie oben den Raum für Artikel, die Kunden sich zurücklegen lassen, und auch einen Pausenraum. Blue Gene schläft im ehemaligen Pausenraum.«
»Wohnen Sie auch hier?«
»Nein. Manche Leute wohnen hinten in den Büros, die Blue Gene zu Schlafzimmern hat umbauen lassen. Da sie keine andere Bleibe haben, gewährt er ihnen Kost und Logis. Aber ich arbeite nur hier, wenn man das arbeiten nennen will. Ich begrüße die Leute, führe sie herum, so wie jetzt gerade Sie. Aber ich lasse mich nicht von ihm bezahlen. Nach allem, was er für mich getan hat, ist es das Mindeste, wie ich mich revanchieren kann.«
»Was hat er denn für Sie getan?«
Bernice blieb stehen und sah Elizabeth an.
»Darüber sollten Sie sich besser mit ihm unterhalten. Ich will kein Geheimnis draus machen, denn das ist es nicht, aber… Wissen Sie, was? Streichen Sie das. Er hat zu mir gesagt, ab jetzt gibt’s keine Geheimnisse mehr, wir sollten bei allem offen und ehrlich sein, es ist also echt überflüssig, so um den heißen Brei herumzureden, denn er würd’s Ihnen selber sagen, wenn Sie ihn fragten. Blue Gene hat für mich Folgendes getan, also, ich hab da ein Atemproblem, und es wurde so schlimm, dass ich die Rechnungen nich mehr bezahlen konnte, und langer Rede kurzer Sinn, er hat die Sache in einem Rundumschlag für mich bereinigt. Dank ihm muss ich mir deswegen keine Sorgen mehr machen.«
[506] »Wie schön «, sagte Elizabeth und heuchelte Überraschung. Sie wusste, dass Blue Gene überhaupt erst wegen Bernice’ finanzieller Lage sein Erbe verlangt hatte, dass die gegenwärtigen Schwierigkeiten im Wahlkampf also auf sie zurückzuführen waren.
» Schön trifft’s nicht mal annähernd«, erwiderte Bernice fast schroff. Ehe sie ihren Weg nach hinten fortsetzte, blickte sie über Elizabeths Schulter. Woraufhin Elizabeth sich umdrehte und bemerkte, dass vorn im Raum Leute in mehreren Reihen auf metallenen Klappstühlen saßen. Einige waren schwarz, einige weiß, einige runzlig, einige picklig, einige jung und rotznasig. Sie alle warteten augenscheinlich auf etwas.
»Warum sitzen all die Leute da?«
Wieder blieb Bernice abrupt stehen und drehte sich zu Elizabeth um. »Also, das kann ich Ihnen nun wirklich nicht erzählen. Das ist ein neues Angebot von Blue Gene, doch das soll er Ihnen lieber selber sagen, nämlich, er hat uns allen eingeschärft, es nicht zu verraten, weil uns die Presse immer auf den Pelz rückt und es vermutlich versauen wird.«
Elizabeth nickte. Sie gingen weiter. Hinten im Raum hielt ein Grüppchen Menschen
Weitere Kostenlose Bücher