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Goebel, Joey

Goebel, Joey

Titel: Goebel, Joey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heartland
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ihrem Lexus eine Reihe rauf- und die nächste wieder runterfuhr, bis sie sich schließlich mit einer Lücke zwischen einem lädierten Ford Escort und einer makellosen Harley-Davidson zufriedengab. Als sie im Rückspiegel ihr Make-up überprüfte, bemerkte sie aus den Augenwinkeln ein Fahrzeug, das sie kannte. Sie bugsierte ihre zierliche Gestalt aus dem massiven Geländewagen, um es sich genauer anzusehen. Wie vermutet, war es Genes Pick-up, doch zu ihrem Erstaunen war die weiße Aufschrift (110 % IG ECHT SCHLIMMER FINGER ) am oberen Rand der Windschutzscheibe verschwunden. Elizabeth hatte jedes Mal innerlich den Kopf geschüttelt, wenn sie im vergangenen Sommer diese Botschaft in ihrer Auffahrt gesehen hatte. Natürlich hatte Blue Gene sie erst nach seinem Auszug entfernt.
    Sie drückte auf die Taste, mit der sie ihren Lexus verriegelte, der daraufhin wie immer brav zirpte. Auf ihrem Marsch über den Parkplatz wünschte sie sich, sie hätte sich etwas Bequemeres als ihre schwarzen Stöckelschuhe angezogen. Seltsamerweise gab es an dem Gebäude überhaupt keine Schilder oder Tafeln. In der Reihe, wo sie geparkt hatte, war vorn in der Nähe des Fußgängerüberwegs eine Pick-up-Party in vollem Gange: Sieben Rednecks standen mit Bierdosen in den Händen herum und unterhielten sich schreiend, während aus dem Truckinneren Countrymusik dröhnte. [499] Elizabeth erkannte, dass sie den jungen Radaubrüdern unmöglich aus dem Weg gehen konnte, darum lächelte sie im Vorbeigehen und formte mit dem Mund das Wort »Hallo«. Einige der Jungs lächelten zurück und nickten, und damit war ihre Begegnung beendet. Sie konnte ihnen nicht verdenken, dass sie im Freien sein wollten; es wurde endlich etwas kühler. Seit Mitte September hatte es sogar gelegentlich ein wenig geregnet, was für diese ausgedörrte Gegend ein großer Segen war.
    Als sie den Zebrastreifen erreichte, verdrängte allmählich der romantische Klang eines Saxophons die Countrymusik. Ein älterer Schwarzer mit einer Baskenmütze auf dem Kopf spielte vor dem Gebäude, zwischen dem Eingang zur Rechten und dem Ausgang zur Linken. Elizabeth erkannte den Song, es war Gershwins »Rhapsody in Blue«.
    Der Saxophonist rief ihr in Erinnerung, wie gern Gene schon als Kind Straßenmusiker gehört hatte, wenn die Familie auf Reisen in großen Städten wie New York oder Chicago gewesen war. Auf seine Frage, warum sie zu Hause nicht auch solche Musik im Freien hätten, hatte Henry geantwortet, es sei gut, dass es in Bashford keine Straßenmusiker gebe, weil sie ein Gradmesser für die Armut einer Stadt seien.
    Und jedes Mal hatte Gene dann seine Eltern um einen Dollar gebeten, den er dem Musiker geben wollte. Henry hatte immer nein gesagt, Elizabeth immer ja. Genau wie Gene hörte sie gern im Freien Musik. Das gab einer Stadt ein menschlicheres Antlitz, eine Melodie im Freien erinnerte die Menschen daran, dass es ein Leben außerhalb der Häuser gab. Ihre liebste Erinnerung an New York, wo sie studiert hatte, war die an einen Mann in einer überfüllten U-Bahn, [500] der im Berufsverkehr die Pendler mit seiner Version von Louis Armstrongs »What a Wonderful World« unterhielt.
    Gott war Elizabeths erste große Liebe gewesen und Musik ihre zweite. Mit dreizehn war sie in ihrer Gemeinde bereits Kantorin. Auf der Highschool sang sie in einem Talentwettbewerb den Titelsong aus dem Musical »Camelot« und gewann. Und sie konnte sich noch genau an den Augenblick erinnern, als sie sich in ihrem einsamen Studentenwohnheim in John Lennons süßlich-rauhe Stimme verliebte. In ebendiesem Augenblick war ihr klargeworden, dass sie ihr restliches Leben dem Gesang widmen wollte.
    Mit ernstem, konzentriertem Blick nickte der Saxophonist Elizabeth zu, als sie vorbeiging. Sie lächelte und hielt nach einem Hut oder Teller zu seinen Füßen Ausschau, um zu sehen, ob er an diesem Nachmittag genug eingenommen hatte, entdeckte dort unten aber nichts außer seinen abgewetzten Halbschuhen.
    Die Eingangstüren zur Rechten des Saxophonisten wurden von Holzkeilen offen gehalten. Über den Türen hing ein Pappschild mit der Aufschrift KEIN ZUTRITT FÜR MEDIEN , mit schwarzem Filzstift geschrieben. Elizabeth trat ein. Die Beleuchtung war für sie die erste Überraschung. Sie war zwar keine Wal-Mart-Stammkundin, aber oft genug da gewesen, um zu wissen, dass der Wal-Mart, wie alle anderen großen Geschäfte und Kaufhäuser, immer besonders hell erleuchtet gewesen war. Jetzt war an die Stelle der grellen

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