Goebel, Joey
Aerosmith, dann einen von Foreigner, vielleicht gelegentlich »Chattahoochee« als Zugabe. Er stellte sich Jackie an Cheyennes Stelle vor und fragte sich, was sie von den Songs halten würde, die er ausgesucht hatte. Sie konnte ihn mal, wenn sie ihn danach beurteilte, dass er Poison mochte. Als wäre sie zu cool, um aufs Klo zu gehen.
Doch da gab’s nichts zu rütteln. Ihn hatte ein heftiges, unverfälschtes Gefühl übermannt, so schlimm wie seit damals nicht mehr, als er Heaven gesehen hatte, wie sie in dem Stripclub um die Metallstange wirbelte. Dann fiel Blue Gene auf, dass er nicht mal einen genauen Blick auf die Brüste der Frau geworfen hatte.
Als »Wildlife« Jones sich einem Scorpion Deathlock ergeben musste, schauten sich Blue Gene und Balsam im Zeughaus um und sahen, dass sie alle möglichen potentiellen Wähler angesprochen hatten. Um halb neun abends, [243] während sie auf den Beginn des letzten Kampfes warteten, fing Balsam endlich an zu reden, baute eine Unterhaltung auf dem soliden Fundament des Schweigens auf, das er und Blue Gene im Lauf des Abends errichtet hatten.
»Ich hab ’ne Nachtsichtbrille«, sagte Balsam.
»Cool. Wo haste die her?«
»Die hat mei’m Dad gehört.«
»Was hast du damit vor?«
»Ich hab da so ’ne Idee«, er beugte sich näher zu Blue Gene. »Also, wenn ich beim Autofahren ’ne Nachtsichtbrille aufsetze, dann heißt das, ich brauch meine Scheinwerfer nicht anzumachen – verstehst du, weil ich ohne sie sehen kann.«
»Schon, aber die anderen Fahrer würden dich nicht sehen können.«
»Weiß ich. Aber angenommen, es ist zwei Uhr morgens und ich fahre heim, nachdem ich mir die Kante gegeben habe. Wenn ich draußen auf der Umgehungsstraße bin, könnte ich hundertsechzig fahren, aber die Cops würden mich nicht sehen, weil ich ohne Beleuchtung fahre. Sie würden auf ihren Radargeräten bloß sehen, wie aus dem Nichts hundertsechzig km/h auftauchen, aber mich würden sie nicht sehen. Die würden sagen: ›Kacke, was war das denn?‹ Niemand würde mich sehen, und ich könnte fahren, wie ich wollte.«
»Das ist ’ne coole Idee, Mann.«
Während sie sich unterhielten, verspürte Blue Gene Schuldgefühle, weil er dafür bezahlt wurde, dass er heute Abend hier war, Balsam aber nicht. Balsam gab seine Zeit und seine Energie einzig und allein für die Sache, die Mapother’sche Sache von Gott und Vaterland.
[244] »Meine Damen und Herren, dies ist der heutige Hauptkampf!« Der Ansager ließ Madonnas »Like a Prayer« aus den Lautsprechern dröhnen, was Blue Gene wieder in gute Stimmung versetzte, weil es ihn an seine Kindheit erinnerte. »Der folgende Tag-Team-Kampf ist auf einen Wurf angesetzt. Mit einem Kampfgewicht von achtzig Kilogramm, zum Ring begleitet von Schwester Hoolihan, aus Bethlehem, Pennsylvania… Pater Flanagan!«
Die Menge buhte Pater Flanagan aus, einen heuchlerischen Priester, der sie allwöchentlich wegen ihrer Unmoral schalt, obwohl er selbst im Ring betrog, gewöhnlich mit Schwester Hoolihans Hilfe. Keiner der beiden war in seiner oder ihrer Rolle überzeugend – der Priester war ein sportlicher Zwanzigjähriger, und die Nonne war eine nuttige Jugendliche.
»Die Nonne hat ’n paar fette Titten«, sagte Balsam.
»Da ist was dran«, sagte Blue Gene, der immer noch nach Jackie Ausschau hielt.
Dann wurde »Hail to the Chief« gespielt. »Und nun stelle ich Ihnen seinen Teampartner vor, mit einem Kampfgewicht von einhundertundzwei Kilogramm, aus Washington D.C .… Clark Charismo!« Charismo, ein korpulenter Mittvierziger, war ein hinterhältiger Politiker, der ständig in irgendein Amt gewählt werden wollte. Auf dem Weg zum Ring bot er der großmäuligen Alten am Gang einen Handschlag an, doch sie lehnte ab und kreischte: »Fick dich selbst!«
Blue Gene sah, dass Jackie den Saal betrat. Sie legte ihre Gitarre in den Kasten und schaute sich dann den Kampf an, gegen die hintere Wand gelehnt.
»Und ihre Gegner…« Der Song »You Shook me All [245] Night Long« von AC/DC elektrisierte das Publikum. »Mit einem Kampfgewicht von achtundsechzig Kilogramm, zum Ring begleitet von dem Schlüsselkind, direkt hier aus Bashford… Gary ›der Delphin‹ Dorphin.«
Gary »der Delphin« Dorphin war seit langem ein Liebling der Fans bei Heartland Championship Wrestling. Er war ein magerer, aber rauflustiger harter Bursche, der Kostüme aus zerfleddertem Flanell und Tarnkleidung trug. Trotz seiner erst vierundzwanzig Jahre war Dorphin schon ein HCW
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