Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band
magnetisches Feld“ und die Situation „magnetisches Feld ohne Kristall“ etwas gemeinsam haben: in beiden verhält sich das Elektron in der Zeit periodisch.
Wenn die beiden Situationen kombiniert werden, zeigt sich, daß der entscheidende Parameter der Quotient der beiden Perioden ist. Tatsächlich enthält dieser Quotient die gesamte Information über die Verteilung der zulässigen Elektronen-Energien — aber er gibt sein Geheimnis erst dann preis, wenn er in einen Kettenbruch expandiert wird.
Gplot zeigt diese Verteilung. Die waagrechte Achse repräsentiert die Energie und die senkrechte Achse den eben erwähnten Quotienten der Perioden, den wir „a“ nennen können. Am unteren Ende ist a gleich null, und am oberen Ende ist es eins. Wenn a gleich null ist, gibt es kein magnetisches Feld. Jedes der Linien-Segmente, aus denen Gplot zusammengesetzt ist, ist ein „Energie-Band“, das heißt, es stellt zulässige Werte der Energie dar. Die leeren Streifen, die Gplot auf allen verschiedenen Größenskalen durchziehen, sind somit die Bereiche der unzulässigen Energien. Eine der verblüffendsten Eigenschaften von Gplot ist die, daß wenn a rational ist (sagen wir p/q, in gekürzter Darstellung) es genau q solche Streifen gibt (wenn q gerade ist, „küssen“ sich zwei von ihnen in der Mitte). Und wenn a irrational ist, schrumpfen die Bänder auf Punkte zusammen, deren es unendlich viele gibt, sehr dünn über eine sogenannte „Cantor-Menge“ verteilt — ein weiterer rekursiv definierter Ausdruck, der in der Topologie auftaucht.
Man wird sich sicher fragen, ob eine so komplizierte Struktur jemals in einem Experiment auftreten könnte. Offen gesagt wäre niemand mehr überrascht als ich,
Abb. 34 . Gplot: ein rekursiver Graph, der die Energiebänder für Elektronen in einem idealisierten Kristall in einem magnetischen Feld zeigt. α, die Stärke des magnetischen Felds angebend, verläuft senkrecht von 0 bis 1. Die Energie verläuft waagrecht. Die horizontalen Linien sind Bänder der zulässigen Elektronenenergie.
wenn Gplot sich aus irgendeinem Experiment ergäbe. Die physikalische Bedeutung von Gplot liegt in der Tatsache, daß es den Weg zur richtigen mathematischen Behandlung weniger idealisierter Probleme dieser Art weist. In anderen Worten: Gplot ist lediglich ein Beitrag zur theoretischen Physik und nicht ein Hinweis für Experimentalphysiker, was sie zu sehen erwarten können! Ein agnostischer Freund von mir war von den unendlich vielen Unendlichkeiten von Gplot so beeindruckt, daß er es ein „Bild Gottes“ nannte, was mir keineswegs blasphemisch vorkommt.
Rekursion auf der tiefsten Stufe der Materie
Wir haben Rekursion in der Grammatik von Sprachen festgestellt; wir haben rekursive geometrische Bäume gesehen, die unaufhörlich nach oben weiterwachsen, und wir haben eine der Möglichkeiten gesehen, wie Rekursion in die Theorie der Festkörperphysik eingeht. Nun werden wir noch eine andere Möglichkeit des Aufbaus der Welt aus Rekursionen kennenlernen. Diese hängt mit der Struktur der Elementarteilchen zusammen: Elektronen, Protonen, Neutronen und die winzigen Quanten der elektromagnetischen Strahlung, die man „Photonen“ nennt. Wir werden sehen, daß die Teilchen — in einem gewissen Sinn, der nur in der relativistischen Quantenmechanik streng definiert werden kann — auf eine Art und Weise verschachtelt sind, die durch Rekursion, vielleicht sogar durch eine Art „Grammatik“ beschrieben werden kann.
Wir gehen von der Feststellung aus, daß wenn die Teilchen nicht miteinander in Beziehung treten würden, die Dinge unglaublich einfach lägen. Die Physiker hätten gerne eine solche Welt, weil sie dann das Verhalten aller Teilchen leicht berechnen könnten (wenn es — und das ist zumindest zweifelhaft — in einer solchen Welt Physiker gäbe). Teilchen, die nicht in Wechselwirkung mit anderen stehen, nennt man nackte Teilchen, und sie sind völlig hypothetische Erfindungen; es gibt sie nicht.
Wenn man nun die Wechselwirkungen „einschaltet“, werden die Teilchen miteinander verwickelt, wie die Funktionen F und M, oder Eheleute miteinander verflochten sind. Diese reellen Teilchen nennt man renormalisiert — ein unschöner, aber anschaulicher Ausdruck. Was geschieht, ist, daß kein Teilchen auch nur definiert werden kann, ohne alle anderen Teilchen einzubeziehen, deren Definition ihrerseits von den ersten Teilchen abhängt usw. Immer im Kreise herum, in einer niemals endenden
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