Göring: Eine Karriere (German Edition)
präsentierte Göring die Anlage dem französischen Botschafter André François-Poncet. Dem Diplomaten verriet das Szenario einiges über die Gedanken, die Göring umtrieben. »Als er mir das Spielzeug vorführte«, erinnerte er sich, »rief einer der Neffen: ›Onkel Hermann, lass doch mal den französischen Zug heraus!‹ Der Zug verließ den Schuppen. Der Neffe ließ über einen der Drähte, die über die Landschaft gespannt waren, ein kleines Flugzeug gleiten, und aus dem Flugzeug fielen Bomben, mit Zündern versehen, mit denen der Junge den französischen Zug zu treffen versuchte.«
Ich bin nun einmal ein Mensch der Renaissance, ich liebe die Pracht.
Göring
Ich lasse ihm seinen Spaß. Er ist nun einmal eine barocke Figur.
Hitler, 1938
Zu diesem Zeitpunkt sammelte die deutsche Luftwaffe bereits ihre ersten Erfahrungen im Kampfeinsatz. Seit Juni 1936 unterstützte die deutsche Regierung den Rebellengeneral Franco im Kampf gegen die sozialistische Regierung Spaniens. Neben Kriegsgerät und Transportmitteln stellte Deutschland Franco auch die »Legion Condor« zur Verfügung – für Göring eine willkommene Gelegenheit, die neu entwickelten Flugzeuge und Waffen zu testen. Am 26. April 1937 griffen neun deutsche Flugzeuge unter dem Kommando von Oberst Wolfram von Richthofen, einem Vetter des »Roten Barons«, die Stadt Guernica an. Einsatzziele hätten eine Brücke und eine Straßengabelung nordwestlich der Stadt sein sollen, um dem Gegner den Rückzug abzuschneiden. Doch Rauch aus der umkämpften Stadt behinderte die Sicht der Piloten, die ihre Bombenlast unversehens über dem Zentrum abwarfen. 90 Tote forderte die Bombardierung unter der Bevölkerung, die kleine Stadt lag in Schutt und Asche.
Die Wirkung im Ausland war verheerend. Die Zerstörung Guernicas, die der Maler Pablo Picasso auf einem Bild verewigte, wurde von den Gegnern Hitlers und Francos in aller Welt als typisch faschistische Gräueltat angeprangert. Dieses Vernichtungswerk seiner Luftwaffe wurde insbesondere Göring zur Last gelegt. Im britischen Parlament sprach die Labour-Abgeordnete Ellen Wilkinson von Görings »blutbefleckten Schuhen«, und linke Gruppierungen verfassten Protestresolutionen gegen den Angriff auf Guernica. Göring gab sich unbeeindruckt und beförderte Richthofen wenig später zum Generalmajor. Dennoch ärgerte es ihn, dass die britische Regierung unter diesen Umständen davon absah, ihn zur Krönung Georges VI. nach London einzuladen. Statt seiner hatte Kriegsminister von Blomberg die Ehre, als deutscher Vertreter der Zeremonie in Westminster Abbey, dem traditionellen Krönungsort der britischen Monarchie, beizuwohnen. Für Göring war dies lediglich ein weiterer Grund, einen längst gefassten Plan in Angriff zu nehmen: den unbequemen Kriegsminister zu stürzen und sich selbst an seine Stelle zu setzen. Er wartete nur auf eine Gelegenheit.
»Verheerende Wirkung im Ausland«: Die Zerstörung der baskischen Stadt Guernica durch die »Legion Condor« im April 1937 schockte die Weltöffentlichkeit
Der Erpresser
Zur Sonderstellung Görings im NS-Staat gehörte, dass er sich nie auf eine bestimmte Domäne festlegen ließ. Wie Hitler beanspruchte er Kompetenz in allen Bereichen der Politik, auch und gerade in der Außenpolitik, der Königsdisziplin des Staatsmannes. Er knüpfte intensive Kontakte zu den ausländischen Diplomaten in Berlin, die ihn als einflussreiche Informationsquelle schätzten, und pflegte zudem eine ausgedehnte Reisediplomatie in den Ländern Südosteuropas. Er liebte es, Staatsgäste von Rang zur Jagd nach Carinhall einzuladen und am »grünen Tisch« hohe Politik zu treiben – sehr zum Unwillen des Außenministers von Neurath, der nur zähneknirschend Görings ständige Einmischungen abseits der offiziellen Kanäle hinnahm. Wie sein Ministerkollege Schacht hatte freilich auch Neurath die Erfahrung machen müssen, dass diesbezügliche Beschwerden bei Hitler nicht fruchteten. Der »Führer« war nicht nur geneigt, seinem zweiten Mann eine gewisse Narrenfreiheit zuzugestehen, sondern er beauftragte Göring auch mit heiklen Sondermissionen, für die er die von ihm wenig geschätzten Berufsdiplomaten unfähig hielt.
Schon früh richtete sich das Augenmerk beider auf Österreich. Hitler wollte seine Heimat »heim ins Reich« holen und fand in Göring einen wild entschlossenen Helfer. Obwohl er die preußische Kadettenanstalt in Lichterfelde besucht hatte, fühlte sich Göring mehr dem
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