Göring: Eine Karriere (German Edition)
können, um weiterhin sein Luxusleben ungestört zu genießen.
Von Carinhall aus knüpfte Göring immer neue Verbindungen. Mehrmals fuhr der millionenschwere Chef des schwedischen Konzerns Electrolux, Axel Wenner-Gren, vor, der Zutritt zu Chamberlain hatte. Viermal sandte Göring seinen Sonderemissär, Ministerialdirektor Helmut Wohltat, nach London. Er ersuchte Adlige um ihre Vermittlung über ihre englischen Verwandten. Doch das deutsch-britische Verhältnis verschlechterte sich weiter, als Hitler und Stalin Ende August 1939 einen Nichtangriffspakt schlossen und der britische Botschafter in Berlin, Henderson, ankündigte, die Regierung Chamberlain stelle sich auf die Seite Polens. Als Hitler Mitte August den »Fall Weiß«, den Überfall auf Polen, für Ende August anordnete, notierte Milch in sein Tagebuch: »G. teilt Absicht mit! G. nervös.«
Die Zeit drängte, doch die Chancen, die glimmende Lunte zum Pulverfass im letzten Moment noch auszutreten, waren minimal. Göring wusste, dass Hitler, einmal entschlossen, kaum mehr umzustimmen war, zumal sein Wort entscheidend an Gewicht verloren hatte. Dennoch wagte er einen späten Versuch, England aus einem deutsch-polnischen Krieg herauszuhalten. Zwei Hoffnungen blieben ihm: einmal, dass Hitler bei seinem Vabanquespiel nur bluffte, und zum zweiten, dass die von ihm veranlassten Sondierungen des Schweden Birger Dahlerus in London Früchte trugen.
Damals glaubte ich, ich könnte etwas dazu beitragen, um einen neuen Krieg zu verhindern, zumal ich eindeutig beweisen konnte, dass vonseiten der englischen Regierung alles geschehen ist, um den Krieg zu verhindern.
Birger Dahlerus, Aussage in Nürnberg
Göring kannte den Industriellen mit den vorzüglichen Kontakten in England und Deutschland seit 1934. Wie Göring ging auch Dahlerus fest vom Kriegseintritt Englands aus und war allein schon aus wirtschaftlichen Gründen an einem »letzten Versuch zur Rettung des Friedens« interessiert. Mehrmals pendelte Dahlerus in diesen schicksalhaften Sommertagen als Friedensbote zwischen London und Berlin. Zwar verschaffte Göring seinem Hoffnungsträger Zutritt zu Hitler, der seinerseits auf Englands Neutralität hoffte, der aber auch drängte, zu handeln und nicht zu verhandeln. Görings halbherzige Absicht, über Dahlerus den Krieg zu verhindern, scheiterte. Inzwischen wusste er aus den Spitzelberichten seines »Forschungsamts«, dass England und Frankreich Polen beistehen wollten und Italien sich weigerte, an Deutschlands Seite zu kämpfen. Noch einmal versuchte er, Hitler von seinem Entschluss abzubringen: »Wir wollen doch das Vabanquespielen lassen!« Worauf der »Führer« entgegnete: »Ich habe in meinem Leben immer va banque gespielt.« Der Kampf gegen den Krieg schien endgültig verloren. Dennoch bemühte sich Göring ein letztes Mal, über Dahlerus einen Termin für ein Vermittlungsgespräch in London zu ergattern. Göring saß wie auf glühenden Kohlen. Die Motoren zweier Ju 52 liefen warm, der Diener bügelte den Smoking, und die Leibwächter wurden angewiesen, ihre besten Anzüge zu tragen. Doch die naive Hoffnung, das Königreich fünf nach zwölf vom Kriegskurs abhalten zu können, zerschlug sich. Am Donnerstag, dem 31. August 1939 morgens, befahl Hitler den »Fall Weiß«, den Einmarsch in Polen. Danach riegelte der Diktator sich von der Außenwelt ab. Gegen zwei Uhr nachmittags waren alle Einheiten mit den nötigen Befehlen versehen. Wenig später wurden die Telefonverbindungen nach Warschau gekappt. Am nächsten Tag konnte der Krieg beginnen. Am Nachmittag, als die Militärmaschinerie bereits auf Hochtouren lief, sprach der Oberbefehlshaber der Luftwaffe ein letztes Mal bei Hitler vor und versuchte ihn zum Einlenken zu bewegen. Doch der Diktator kanzelte seinen Stellvertreter mit heftigen, knappen Worten ab. In der Nacht wurden die Flugzeuge der Luftwaffe mit Bomben beladen, aufmunitioniert und betankt. Am 1. September kurz vor vier Uhr starteten über 2000 Maschinen in Richtung Osten. Keine Stunde später griff die Wehrmacht an.
»Alles unternommen, um einen Krieg zu vermeiden«: Der schwedische Industrielle Birger Dahlerus versuchte zwischen Berlin und London zu vermitteln
Ich habe den Krieg nicht gewollt und habe deshalb alles getan, um ihn, soweit es in meinen Möglichkeiten stand, zu vermeiden. Das hat nichts zu tun damit, welche Vorbereitungen ich pflichtmäßig in meiner Eigenschaft als hoher Offizier durchgeführt habe.
Göring, Aussage in
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