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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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der Versicherungsgesellschaften handelte er aus, dass die Entschädigungen für Glasbruch und Diebstahl nicht an die betroffenen Juden, sondern in die Staatskasse gezahlt wurden. Obendrein, verkündete er, würde den Juden eine Strafe von einer Milliarde Reichsmark auferlegt werden. Niemand in der Runde widersprach. Sechs Jahre »Drittes Reich« hatten das Rechtsempfinden der Verantwortlichen fast vollständig erodiert.
    Im Laufe der Sitzung zeigte sich immer deutlicher, dass Göring sich von Goebbels weniger in den Zielen als in den Mitteln unterschied. Statt auf die Gewalt der Partei setzte Göring auf den staatlichen Würgegriff. Er nutzte die Eskalation der letzten Tage, um eine in seinem Ressort seit langem vorbereitete Maßnahme schlagartig umzusetzen: die völlige Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben. Per Gesetz wurde Juden nun Besitz oder Leitung eines Geschäftes verboten. Dem jüdischen Eigentümer, erläuterte Göring der Runde, müsse bei der jetzt erfolgenden Zwangsarisierung eine möglichst niedrige Entschädigung gezahlt werden, von der er fortan zu leben habe – die Differenz zum tatsächlichen Wert des Unternehmens solle nach dem Verkauf an den Staat fallen. Am Ende der Maßnahmen, darin waren sich die Anwesenden einig, müsse das Ziel stehen, die verarmten Juden möglichst schnell aus Deutschland herauszubringen. Auf Heydrichs Vorschlag beschloss die Konferenz, zu diesem Zweck die Errichtung einer »Zentrale für jüdische Auswanderung«, die die Vertreibung vereinfachen und forcieren solle. Sichtlich zufrieden sprach Göring in die Runde: »Im Übrigen muss ich noch einmal feststellen: Ich möchte kein Jude in Deutschland sein.«
    Es ist irrsinnig, ein jüdisches Warenhaus auszuräumen und anzuzünden, und dann trägt eine deutsche Versicherungsgesellschaft den Schaden, und die Waren, die ich dringend brauche, … werden verbrannt. Da kann ich gleich die Rohstoffe anzünden, wenn sie hereinkommen.
    Göring, 12. November 1938
     
    Die Konferenz vom 12. Oktober 1938 war in gewisser Weise Görings »Wannsee-Konferenz«. Sie markiert eine wichtige Etappe auf dem Weg zur »Endlösung der Judenfrage«, der Ermordung von über sechs Millionen Juden. Die von ihm initiierten Beschlüsse nahmen den Juden in Deutschland jede Perspektive auf ein dauerhaftes Weiterleben in ihrer Heimat und reduzierten die »Lösungsmöglichkeiten« in der »Judenfrage« auf zwei Alternativen: Vertreibung oder Vernichtung. Noch wollten Göring und die Anwesenden die »Judenfrage« durch Ausplünderung und Vertreibung lösen. Doch dahinter schimmerte bereits die andere, schrecklichere Alternative durch, die Göring am Ende der Konferenz andeutete: »Wenn das Deutsche Reich in irgendeiner absehbaren Zeit in außenpolitischen Konflikt kommt«, erklärte er unter Hinweis auf seine Gespräche mit Hitler, »so ist es selbstverständlich, dass auch wir in Deutschland in allererster Linie daran denken werden, eine große Abrechnung an den Juden zu vollziehen.« Zwei Monate später, am 30. Januar 1939, wiederholte Hitler diese Drohung vor dem Reichstag: »Wenn es dem internationalen Finanzjudentum inner- und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker der Welt noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.« Nur wenige Meter entfernt von ihm, auf dem Sitz des Reichstagspräsidenten, spendete Göring Beifall. Offener als in diesen Monaten sprach keiner von ihnen je das Verbrechen aus. War Göring ein überzeugter und aktiver Befürworter des Holokaust?
    Der Befund ist weniger eindeutig, als er auf den ersten Blick scheint. Zweifellos bewegte auch Göring ein tief verwurzelter Judenhass, der schon 1925 in der schwedischen Heilanstalt Långbrö aufgefallen war. Als Reichstagspräsident verkündete er 1935 die Nürnberger Rassegesetze, durch die Juden aus dem politischen und kulturellen Leben eliminiert wurden. Nach dem »Anschluss« Österreichs sprach er in einer Rede in Linz offen aus, dass mit den deutschen Truppen auch der systematische Terror gegen die jüdische Bevölkerung Einzug halten werde: »Die Stadt Wien kann nicht länger als deutsche Stadt bezeichnet werden. Wo es 300 000 Juden gibt, kann man nicht von einer deutschen Stadt sprechen. Aber Wien muss wieder eine deutsche Stadt werden.« Verbal trat Göring als fanatischer Judenhasser auf, aber seine wahre

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