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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Einstellung gegenüber Juden blieb bis zuletzt unklar und für einen Mann in Hitlers engstem Umfeld auffallend unideologisch und vielschichtig. Als ihm ein jüdischer Juwelier, einst ein Jagdflieger unter seinem Kommando, besorgt von judenfeindlichen Drohbriefen berichtete, gab sich Göring zunächst wohlwollend: »Mach dir keine Sorgen. Ich kümmere mich darum.« Dann aber betonte der Bittsteller, ebenfalls Deutscher zu sein. Göring herrschte ihn an: »Für einen ehemaligen Kameraden tue ich alles. Aber ich spreche dir das Recht ab, dich als Deutscher zu bezeichnen. Du bist Jude.«
    Görings Haltung gegenüber Juden blieb abhängig von Launen und Neigungen, auch wenn er nach außen hin – zumindest aus Opportunismus – Hitlers Rassenlehre vertrat. Er war ein Schreibtischtäter, der mit sich reden ließ. Insbesondere auf Bitten seiner Frau Emmy bewahrte Göring einige ihrer ehemaligen jüdischen Schauspielkollegen vor dem Schlimmsten. »Wer Jude ist, bestimme ich«, lautete die gleichermaßen eigensinnige wie machtverliebte Maxime, nach der Göring seine Hand auch über Juden hielt, die ihm nützlich waren oder sein konnten. Unter seinem persönlichen Schutz stand die Familie Ballin, die ihn nach dem gescheiterten Putsch von 1923 in ihrer Münchner Wohnung aufgenommen und seine schweren Verletzungen so gut es ging versorgt hatte. Schutzbriefe stellte er auch für versierte Kunsthändler wie die Familie Bernheimer aus, über die Göring Gemälde und die besonders geliebten Gobelins bezog. Fest hielt er ebenfalls an Erhard Milch, dem zweiten Mann der Luftwaffe, dem eine jüdische Abkunft nachgesagt wurde. Widerwillig schritt Göring ein, um seinen mehrfach verhafteten Bruder Albert aus den Fängen der Gestapo zu befreien. Als Außenhandelschef der besetzten tschechischen Škoda-Werke kämpfte dieser aktiv gegen das Unrecht und rettete Dutzenden jüdischen Familien und politisch Verfolgten das Leben, indem er Schutzbriefe ausstellte und Passierscheine unterschrieb. »Hör jetzt endlich mit den Dummheiten auf«, forderte Hermann seinen Bruder auf, der sich nicht beeindrucken ließ und bis Kriegsende zahlreichen Menschen mit seinen »Dummheiten« das Leben rettete.

     
    »Hör jetzt endlich mit den Dummheiten auf«: Albert Göring half immer wieder Verfolgten des Regimes. Hermann Göring und sein Bruder (links) mit ihren Ehefrauen
    Er war wohl für eine Ausschaltung der Juden aus dem politischen und dem wirtschaftlichen Leben, aber er sagte, dass er keinem Juden etwas zu Leide tun will.
    Klaus Rigele, Neffe Görings
     
    Von sich selbst behauptete Göring, einen mäßigenden Einfluss auf Hitler ausgeübt zu haben, und seinem Neffen Klaus Rigele erklärte er, dass er die Juden zwar aus dem politischen und wirtschaftlichen Leben entfernen, aber keinem etwas zuleide tun wolle. Tatsächlich lief der spätere Massenmord in den Lagern weitgehend ohne ihn ab. Er ließ den jüdischen Besitz beschlagnahmen, wo er konnte, was mit den Eigentümern geschah, war ihm gleichgültig. Aus persönlichen Gründen verhalf er dem einen oder anderen zum Überleben, für die Masse aber setzte er sich nie ein. Wenn er auch millionenfachen Mord nie selbst betrieb, er wusste von ihm. Indem er darauf drängte, der jüdischen Bevölkerung in Deutschland die Lebensgrundlage zu rauben, verengte er bewusst die Alternativen auf Vertreibung oder Vernichtung. Als an eine Vertreibung im Krieg nicht mehr zu denken war, ging von ihm keine Initiative aus, in der »Judenpolitik« grundsätzlich umzusteuern. Er nahm die Tötung von Millionen Menschen billigend in Kauf und war froh, dass andere und nicht er das Mordwerk verrichteten.

Der Paladin
     
    In den ersten Monaten des Jahres 1939 musste Göring erleben, wie wenig sein Rat bei Hitler in der Außenpolitik noch galt. Der Geist von München war schnell verflogen. Der Wind wehte nun aus einer anderen Richtung, und die Zeichen standen auf Sturm. Hitler machte sich daran, die Tschechoslowakei zu zerschlagen. Am 11. März 1939, einem Samstag, fiel der Startschuss zur Offensive. Generaloberst Wilhelm Keitel erhielt die Anweisung, der Tschechoslowakei ein Ultimatum zu stellen: Prag solle die Besetzung Böhmens und Mährens einfach hinnehmen. Göring blieb von alledem ausgeschlossen. Gesundheitlich angeschlagen, kurte er in San Remo. Spaziergänge und Tennis standen im bizarren Kontrast zur schweren Krise, die Europa überschattete. Hitler selbst hatte den Urlaub angeordnet, um ungestört den Todesstoß gegen

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