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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Während die 6. Armee in der Schnee- und Eiswüste von Stalingrad um ihr Überleben kämpfte, wich Göring nicht ein Jota von seinem egozentrischen Lebensstil ab. Im November 1942 zog es ihn zum wiederholten Mal nach Paris. Wenig später rollte wieder ein mit Kunst beladener Sonderzug nach Carinhall, wo Göring den Jahreswechsel verlebte.
    Am 12. Januar 1943 feierte er in üppiger Prachtentfaltung seinen fünfzigsten Geburtstag. Seinem »Kronprinzen« zu Ehren gab Hitler einen großen Empfang. Zahlreiche hochrangige Gäste überreichten opulente Kunst- und Wertgegenstände in Millionenhöhe. Der zweite Mann im Reich konnte sich noch immer im Glanz der Macht sonnen, so schien es zumindest. Zu jenem Zeitpunkt war die Luftversorgung längst in eine verzweifelte Rettungsaktion umgeschlagen. Die Luftwaffenführung klaubte zusammen, was noch vorhanden war. Wie die Parteigrößen Ribbentrop und Ley stellte auch Göring demonstrativ sein Privatflugzeug zur Verfügung. Alle Beteiligten wussten, dass sie das tragische Schicksal der 6. Armee nicht mehr abwenden konnten. Hitler hatte erkannt, dass Göring mit seiner Aufgabe heillos überfordert war, und beauftragte am 14. Januar Erhard Milch, das Unmögliche in letzter Minute doch noch möglich zu machen. Milch bekam absolute Vollmachten, aber auch er konnte das Ruder nicht mehr herumreißen. Göring glaubte selbst nicht mehr an einen Erfolg. Wo es möglich war, blockte er die Katastrophenmeldungen aus Stalingrad ab. Es hatte ja doch keinen Zweck. Mitte Januar ließ sich Flakgeneral Pickert aus dem Kessel fliegen. Nach zwei beschwerlichen Reisetagen traf er unangemeldet in Rominten ein. Pickert hatte vor, dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe in einem Vortrag die dramatische Lage vor Augen zu führen. Göring ließ den General zwei Tage warten. Inzwischen hatte sich die Lage geändert. Telefonisch erfuhr Pickert von Görings Adjutanten, dass er abreisen könne, der Reichsmarschall lege keinen Wert mehr auf den Bericht.
    Am 10. Januar begannen die Russen mit der Zerschlagung des Kessels. Elf Tage später startete die letzte Maschine von einem kleinen Feldflugplatz am Rand von Stalingrad. Am 2. Februar setzte die 6. Armee ihren letzten Funkspruch ab. Als am Abend einige Maschinen mit Versorgungsbehältern die Stadt überflogen, rührte sich in dem verschneiten Ruinenmeer kein Leben mehr. In 72 Tagen und Nächten, vom 25. November 1942 bis zum 2. Februar 1943, beförderte die Luftwaffe insgesamt 6600 Tonnen Nachschubgüter in den Kessel – ein Tagesdurchschnitt von 100 Tonnen, der nur einem Drittel der geplanten Menge entsprach. Die halb erfrorenen, halb verhungerten Soldaten konnten zum Schluss nicht einmal mehr die Versorgungsbehälter bergen. 34 000 Verwundete wurden ausgeflogen und so vor Tod und Gefangenschaft bewahrt. Die Luftwaffe verlor knapp 500 Transportflugzeuge, mindestens genauso viele Maschinen zerstörten die Russen am Boden. 1000 Angehörige des fliegenden Personals bezahlten die Luftbrücke mit dem Leben. Von diesem Aderlass sollte sich die Luftwaffe während des Krieges nicht mehr erholen.
    Nach Stalingrad war von dem obersten Luftwaffenchef wenig beziehungsweise gar nichts mehr zu hören. Wenn wir im Kameradenkreis über Göring sprachen, hieß es nur: »Der Dicke soll bloß die Schnauze halten!«
    Joachim Matthies, Luftwaffenangehöriger
     
    Stalingrad geriet zur größten Katastrophe in Görings Karriere. Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn knöpfte sich Hitler seinen Stellvertreter persönlich vor. Goebbels notierte am 9. März 1943 in sein Tagebuch, das Ansehen des Reichsmarschalls beim »Führer« habe wegen des »völligen Versagens der Luftwaffe« »kolossal gelitten«. Hitler übe »außerordentlich scharfe Kritik«, weil der Chef der Luftwaffe »sich durch seine Generalität in Illusionen wiegen lassen« habe, anstatt sich über die wahre Tragweite des Luftkriegs im Klaren zu sein. »Göring hört eben gern das Angenehme; deshalb sagt ihm seine Umgebung das Unangenehme nicht.« Ironischerweise hätte diese Beobachtung von Goebbels ebenso für den »Führer« gelten können. Der jedoch hatte laut Goebbels »eine Granatenwut auf diese verantwortungslose Umgebung des Reichsmarschalls«. Doch trotz aller Kritik und Wut vermied Hitler Anfang 1943 die entscheidende Kraftprobe mit Göring. Nach wie vor hielt er den Reichsmarschall für den einzigen geeigneten Nachfolger. Aus diesem Grund unterließ er es auch, Göring die Gesamtverantwortung für Stalingrad

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