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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Rüstungsminister aller Waffengattungen machen sollte, wagte Göring jedenfalls nie dem »Führer« vorzulegen. Kühl strafte Hitler seinen Stellvertreter nun für dessen schlechte Leistungen ab. Dafür erhielt den Zuschlag der phantasievolle Laie Speer, der in seinem neuen Amt förmlich über sich hinauswuchs und bald mit Vollmachten ausgestattet war, die jene seines Vorgängers weit überstiegen.
    Ich muss sagen, dass auch ich - wie Hitler selbst – eine Schwäche für Göring hatte. Ich hatte ihn als einen charmanten und hochintelligenten Menschen kennen gelernt und sah ihn weiterhin mehr als einen Individualisten, einen Exzentriker und weniger als einen kranken oder gar bösen Menschen.
    Albert Speer, 1979
     
    Niemand bekam den Machtwillen Speers mehr zu spüren als Hermann Göring, der zweite Mann im Reich. Schritt für Schritt entwand ihm Speer eine wirtschaftspolitische Zuständigkeit nach der anderen, bis von seinen ursprünglich weit reichenden Befugnissen nur noch ein paar nichtssagende Titel sowie einige Ehren-ämter blieben. Dabei folgte Speer geschickt einem einfachen, aber wirkungsvollen Prinzip: einerseits auf formaler Ebene nachzugeben und andererseits dem Dünkel wie der Selbstgefälligkeit Görings bei jeder nur möglichen Gelegenheit zu schmeicheln. Nachdem Hitler Speers Ernennung bestätigt hatte, drohte Göring damit, als Beauftragter des Vierjahresplans zurückzutreten. Speer akzeptierte daraufhin den Titel eines »Generalbevollmächtigten für Rüstungsfragen im Vierjahresplan«. In Wirklichkeit leitete sich Speers Macht unmittelbar von Hitler ab, Görings Sieg war rein formaler Natur. Wenige Wochen später ernannte Hitler Fritz Sauckel zum »Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz«, Görings Aufgabengebiet seit 1937. Zum zweiten Mal musste der Reichsmarschall zähneknirschend mit ansehen, wie der »Führer« ihm in die Parade fuhr. Insgesamt hatte Görings Ansehen erheblich gelitten, doch seine Machtbefugnisse waren immer noch groß. In zentralen Wirtschaftsbereichen wie Steuer- und Preispolitik, Lebensmittelproduktion, Landwirtschaft, Außenhandel, Transportwesen, Roh- und Treibstoffen kam man nur schwer an dem korpulenten Reichsmarschall vorbei. Und dieser war nach wie vor der Herr über die Luftfahrtindustrie und damit über etwa 40 Prozent der gesamten Rüstungsproduktion des Reichs.
    Doch seine nominelle Macht nutzte sich mehr und mehr ab. Görings Urteilsvermögen wurde nicht besser, auch traf er immer wieder zur Unzeit die falschen Entscheidungen. Sein Pech war, dass die Schwierigkeiten gerade in seinen Verantwortungsbereichen zutage traten. Je besser es Speer gelang, die Rüstung durchzurationalisieren, desto mehr schien sich Göring in einer Flut trivialer Probleme zu verlieren. Die wachsenden Produktionserfolge gingen so auf das Konto des jüngeren Konkurrenten. Immer häufiger fand sich der Reichsmarschall in der Rolle eines Feuerwehrmanns wieder, der sporadisch und energisch eingriff, dem es aber nicht gelang, das Feuer zu löschen. Im Verhältnis zu Hitler hatte Görings große Stärke darin bestanden, im richtigen Moment genau das zu liefern, was der »Führer« am meisten begehrte – zumeist durch kurze Ausbrüche von administrativer Energie und Kasernenhofgebrüll. Die Wirkung dieser Medizin begann 1942 spürbar nachzulassen.

     
    Oben: »Schutzlos den Angriffen ausgeliefert«: Auch massives Flugabwehrfeuer konnte nicht verhindern, dass deutsche Städte reihenweise in Schutt und Asche gelegt wurden
    Unten: »Der verheerende Luftbrandkrieg hatte begonnen«: Die Lübecker Innenstadt mit der Marienkirche während der Bombardierung im März 1942
    Den größten Schaden erlitt Görings Prestige, weil die Luftwaffe nicht in der Lage war, das Reichsgebiet nachhaltig vor den alliierten Bombenangriffen zu schützen. Die Defizite der Reichsverteidigung sollten im Lauf des Jahres 1942 noch krasser hervortreten, denn der Luftkrieg drohte immer mehr zu eskalieren. Mit der »Direktive 22« vom 14. Februar 1942 schwenkte die britische Regierung nun auch formal auf die seit Ende 1940 praktizierte Strategie des Bombenkriegs gegen Zivilisten ein. In trockener Bürokratensprache hieß es unter anderem: »Das Hauptziel unserer Operationen soll die Schwächung der Moral der feindlichen Zivilbevölkerung und besonders der Industriearbeiter sein.« Ab sofort lagen die Zielpunkte der Piloten in Wohngebieten und nicht wie bisher in Werft- und Industrieanlagen.
    Die neue Strategie war die

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