Göring: Eine Karriere (German Edition)
Görings Hauptquartier zu schützen hatte. Nach dem Willen des »Reichsjägermeisters« bestand sie aus Oberschülern, davon fünfzig Prozent Absolventen von Forstakademien. Wegen Görings Versprechen, er wolle »Meier heißen«, sollten die Alliierten je Deutschland bombardieren, bespöttelte man die Einheit als »Division Meier«. Wellershoff bewachte mit seinen Kameraden die berühmte und damals frisch renovierte Berliner Staatsoper Unter den Linden. Inspiriert durch den Besuch einer Aufführung der Oper »Carmen«, begann die Truppe, ein Theaterstück aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges einzustudieren. Die soldatischen Laiendarsteller konnten sich aus dem Kostümfundus der Staatsoper bedienen und hatten einen professionellen Maskenbildner zur Verfügung. Wenig später wurde das Stück vor Emmy Göring und einem Kreis ausgewählter Gäste in Carinhall aufgeführt.
»Unbescholtene Elitetruppe«?: Ein Werbeplakat der Panzergrenadierdivision »Hermann Göring«
An der Schule wurde für die Waffen-SS geworben. Ich habe mich mit meinem Vater besprochen, der gesagt hat, man müsste sich zu einer alternativen »Eliteeinheit « melden, um nicht zur Waffen-SS gedrängt zu werden. »Melde dich doch für die ›Division Hermann Göring‹.« Das war eine Erdkampftruppe wie jede Panzergrenadierdivision, aber besser ausgestattet.
Dieter Wellershoff, Schriftsteller
Die meisten Historiker sehen die »Division Hermann Göring« heute weitaus kritischer. Die Einheit kam auch in Italien zum Einsatz, beispielsweise am Monte Cassino oder bei der Partisanenbekämpfung während des Rückzugs aus der Toskana. Görings Soldaten galten als besonders rücksichtslos und brutal und waren schon 1943 in mehrere Verbrechen gegen Zivilisten auf Sizilien verstrickt. Besonders grausam reagierten sie ein Jahr später auf die Partisanengefahr in der Toskana. Am Abend des 18. Juni 1944 hielten sich ein paar deutsche Soldaten im Dopo-Lavoro-Club im Civitella in Val di Chiana auf, als plötzlich ortsfremde Widerstandskämpfer auftauchten. Beide Seiten begannen aufeinander zu schießen, mehrere Einwohner wurden verletzt, zwei Deutsche starben sofort, einer erlag bald darauf seinen Verletzungen. Zunächst geschah nichts, denn der Dorfpfarrer hatte die Deutschen von der Unschuld der Einwohner überzeugen können. Am Morgen des 29. Juli 1944 jedoch, als der Priester nichtsahnend die Frühmesse zelebrierte, übten hunderte Soldaten der »Division Herman Göring« grausame Rache für ihre erschossenen Kameraden. Sie stürmten die Bauernhäuser unterhalb Civitellas, zündeten die Gebäude an und ermordeten deren Bewohner. Dann wurden die Dorfbewohner – Frauen und Männer getrennt – auf dem Platz vor der Kirche zusammengetrieben, während man ihre Häuser in Brand steckte. 230 Menschen fielen dem Massaker zum Opfer. Die Mörder plünderten, sprengten Teile der befestigten Stadtmauer und feierten stundenlang. Den zwölf Tage später anrückenden Engländern bot sich ein Bild des Grauens. Die Verbrechen blieben ungesühnt. Bis heute gedenken die Bürger des malerischen Bergdorfs und der umliegenden Gemeinden jedes Jahr mit einem Fackelzug der Toten.
Dem Ende entgegen
Am 12. Januar 1944 feierte Hermann Göring seinen einundfünfzigsten Geburtstag in Carinhall. Es sollte das letzte Mal sein, dass sich die Prominenz des Reichs in prunkvollem Rahmen versammelte. Die Gäste überboten sich mit überaus kostbaren Geschenken, eben wie sie der Reichsmarschall zu seinem Ehrentag erwartete. Albert Speer erinnerte sich später an »Zigarren aus Holland, Goldbarren vom Balkan, wertvolle Bilder und Plastiken«. Er selbst überreichte eine übergroße Hitlerbüste aus Marmor von NS-Bildhauer Breker, ein besonderer Wunsch Görings. In der Bibliothek, wo der übervolle Geburtstagstisch stand, breitete der Jubilar vor seinen Gästen auch Baupläne aus, die ihm sein Architekt zum Geburtstag gezeichnet hatte: Der schlossartige Sitz Görings sollte mehr als doppelt so groß werden. Albert Speer, gerade von einer Reise aus dem kargen Lappland zurückgekehrt, entgingen die Risse in der glänzenden Fassade nicht: »Im prunkvollen Speisesaal wurde an der prächtig gedeckten Tafel von den Dienern in weißer Livree ein, den Verhältnissen angepasstes, nicht zu üppiges Mahl serviert. Funk hielt, wie alljährlich und nun zum letzten Mal, beim Festessen die Geburtstagsrede. Er pries die Fähigkeiten, Eigenschaften und Würden Görings in hohen Tönen und brachte
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