Göring: Eine Karriere (German Edition)
keinen Besseren, einen Besseren können Sie gar nicht haben.«
Göring wiederum ordnete sich Hitler unter, dem er Jahrzehnte zuvor die Treue geschworen hatte und an den er sich gebunden fühlte, obwohl er sich gegen dessen Kriegspläne ausgesprochen hatte. Offenbar war es für Göring unmöglich, sich aus dieser inneren Bindung zu befreien. Nur so ist zu verstehen, warum er in Krisensituationen – teilweise wider besseres Wissen – immer wieder für Hitler Partei ergriff, um seinem »Führer« den Rücken zu stärken. Doch seine Treue wurde im Krieg auf die härteste Probe gestellt. Seit 1943 sah sich Göring als Hitlers »Sündenbock« und fühlte sich ungerecht behandelt. Der enorme Druck führte zudem dazu, dass Göring rückfällig wurde. Vermutlich war er spätestens seit 1943 wieder abhängig von Morphium, zumindest aber von der Substitutionsdroge Codein. Doch an offenen Widerstand oder Rücktritt dachte er nicht. Göring wollte Reichsmarschall bleiben, vor allem aber legitimer Nachfolger des Mannes, der ihn jetzt sogar vor Adjutanten abkanzelte und ihn offen einen Versager nannte.
Mit Göring wieder an bessere Zeiten anzuknüpfen, daran dachten 1943 auch andere. Goebbels konstatierte Anfang des Jahres besorgt, der »Führer« kapsele sich zu sehr ab, verliere den Kontakt zur deutschen Bevölkerung und beschäftige sich nicht mehr genügend mit Politik. Aus dieser Beobachtung entstand der Plan, den Reichsmarschall zu einer zentralen innenpolitischen Figur zu machen. Doch der Versuch schlug fehl, weil der Name Göring im »Führer«-Hauptquartier keinen guten Klang mehr hatte. Als Göring – dem das Leid der Bombenopfer gleichgültig war – im Herbst 1943 zu einem Propagandabesuch in das schwer zerstörte Ruhrgebiet reiste, wurde deutlich, warum Goebbels an ihn gedacht hatte. Der Mann, der nicht in der Lage war, Deutschlands Städte zu schützen, wurde zu seiner eigenen Verwunderung freundlich empfangen. Während der Reichsmarschall nach und nach seinen politischen Einfluss verlor, blieb er bei der Bevölkerung kurioserweise bis zum Schluss populär. Es waren Görings joviale Art, sein bisweilen gewinnendes Auftreten und seine menschlich wirkenden Schwächen und Charaktereigenschaften, die den »dicken Hermann« zum Sympathieträger der NS-Führungsriege machten. Hitler konnte nicht auf ihn verzichten.
Die Misserfolge in der Luft suchte Göring durch Erfolge am Boden zu kompensieren. Seit 1942 hatte er ein neues Steckenpferd: seine eigene Privatarmee. Im Laufe des Krieges wuchs sie auf 21 Luftwaffen-Felddivisionen und zehn Fallschirmjägerdivisionen an, insgesamt weit über 250 000 Mann. Des Reichsmarschalls ganzer Stolz aber war die »Division Hermann Göring«, eine 18 000 Mann starke Vorzeigeeinheit, die sich selbst als Elite sah und an der Ostfront, in Italien und Nordafrika kämpfte. »Division Hermann Göring stellt Freiwillige ein!«, lautete der Slogan auf einem Werbeplakat, von dem ein Soldat mit einem Fernglas in der Hand aus dem Turm seines Panzers ernst und prüfend in die Augen des Betrachters blickte. Görings Soldaten trugen weiße Kragenspiegel, die sie von allen anderen Luftwaffenangehörigen unterschieden. Helmut Lotz, der früh in Görings Privatarmee kam und später Vorsitzender des Traditionsverbands war, beschwört auch heute noch das Bild einer hervorragend ausgebildeten, von Kameradschaftsgeist erfüllten, unbescholtenen Elitetruppe. Nicht ohne Stolz erinnert sich der Veteran daran, welche Aufmerksamkeit die schneidigen jungen Soldaten mit den weißen Spiegeln in der Öffentlichkeit erregten: »Wenn man wie ich als junger Offizier aus Afrika kam und entsprechend ausgestattet war mit Kennzeichen, Ärmelstreifen und so weiter und durch München lief, da hatte man keine Not, hier und dort jemanden zur Unterhaltung zu gewinnen. Ich bin in keine Drogerie gekommen, in keinen Laden, wo ich nicht eine Flasche Parfüm kriegte oder, wenn ich in eine Gaststätte kam, entsprechend eine Flasche Wein. Ohne Probleme. Und das war immerhin Mitte/Ende 1943.«
»Zu seiner eigenen Verwunderung freundlich empfangen«: Göring bei Bombenkriegsopfern im Ruhrgebiet, Oktober 1943
Auch der spätere Schriftsteller Dieter Wellershoff, Jahrgang 1925, meldete sich gegen Kriegsende zur »Division Hermann Göring«, weil er um keinen Preis zur Waffen-SS wollte. Wellershoff kam zum »Begleitregiment Hermann Göring«, einer Sondereinheit, die den Reichsmarschall, den »Reichsjägerhof« in Rominten und
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