Göring: Eine Karriere (German Edition)
Schallplatten aufgenommen, eine widerliche Dokumentation unserer Feigheit und Verworfenheit.« In der Tat ließ Göring die Ansprache auf Grammophonplatten aufzeichnen und Teile daraus auf den Flugplätzen und Fliegerhorsten über Lautsprecher verbreiten.
Wir waren sehr bedrückt, als Göring verkündete, dass die Luftwaffe versagt habe, denn die eigentliche Schuld, die lag ja bei ihm. Denn wir hatten trotz allem Heldenmut, den die Besatzungen aufgebracht hatten, in dem ungleichen Kampf fast keine Chance.
Gerhard Baeker, Jagdflieger
Für den 10. November berief der Reichsmarschall in Berlin-Gatow ein »Luftwaffenparlament« ein, zu dem er 30 Jäger- und Kampffliegerasse zusammen mit Hitlers Luftwaffenadjutanten Nicolaus von Below einlud. Generalstabsoffiziere waren nicht dabei. Diese Idee erwies sich als wenig glücklich. Göring erklärte den Anwesenden, dass die Luftwaffe versagt habe und dass ihm vom »Führer« der Befehl erteilt worden sei, sie wieder aufzubauen. Dabei müssten sie ihm helfen und Vorschläge für Entlassungen und neue Strategien auf den Tisch legen. Über alles solle diskutiert werden – mit Ausnahme seiner Person und der berühmten Me 262. Daraufhin übergab Göring den Vorsitz an Peltz und fuhr nach Carinhall zurück. Aus der stenographischen Mitschrift wird ersichtlich, dass die Versammlung bald in Chaos und Streit ausartete. Die verschiedenen Gruppen im Kreis der Jagdflieger gingen aufeinander los. In keinem Punkt wurde Einigkeit erzielt.
Wie stets, wenn er bei Hitler in Ungnade war, kehrte Göring den fanatischen Parteigenossen heraus: Halten um jeden Preis! Wer zurückweiche, sei ein Feigling oder Verräter! Unter dem Druck des »Führers« verschärfte er die Rechtsprechung der Kriegsgerichte und ließ mehrere Todesurteile vollstrecken. Von November 1944 bis April 1945 erließ Göring insgesamt 19 so genannte »Reichsmarschall-Befehle« und zwang seine Geschwader zu militärisch sinnlosen Opfern. Die Luftwaffe habe »bis zum letzten Mann« zu kämpfen, hieß es unter anderem. Am 16. Dezember 1944 lief unter dem Decknamen »Wacht am Rhein« die Ardennenoffensive an. Zum letzten Mal verfügte Göring über eine einigermaßen kampffähige Streitmacht: Offiziell waren 2400 Maschinen im Einsatz. Vom 18. bis zum 23. Dezember wagte es der Reichsmarschall, wieder regelmäßig an den Lagebesprechungen im »Führer«-Hauptquartier teilzunehmen. Doch als die Ardennenoffensive nach Anfangserfolgen aus Treibstoffmangel und im Abwehrfeuer der Alliierten stecken blieb, zog Göring sich aus Hitlers Umgebung wieder zurück. Es gab nur wenige Soldaten – selbst Generäle -, die Weihnachten 1944 mit ihren Frauen und Familien verbringen konnten. Hermann Göring gehörte dazu. Wie jedes Jahr zog er sich für einen ausgiebigen Weihnachtsurlaub nach Carinhall zurück. Mitten im totalen Krieg ein größtmögliches Maß an individueller Freiheit und materiellem Luxus zu genießen – diesem Anspruch blieb der Reichsmarschall bis zum Schluss treu.
Als das Vorbrechen der russischen Offensive nach dem 12. Januar 1945 bis zur Oder führte und gleichzeitig die Ardennenoffensive nicht durchgeschlagen hatte, … konnte ich nicht mehr anders denken, als dass sich wahrscheinlich langsam eine Niederlage entwickeln würde.
Göring, Aussage in Nümberg.
Während in den Kantinen der alliierten Fliegereinheiten der Anbruch des neuen Jahres gefeiert wurde, herrschte auf den deutschen Luftstützpunkten hektische Betriebsamkeit. In den Morgenstunden des 1. Januar 1945 begann das »Unternehmen Bodenplatte« – so der Tarnname für den letzten Großeinsatz, den die Luftwaffe durchführte. Das Ziel der deutschen Geschwader: Angriffe auf 13 englische und vier amerikanische Feldflugplätze in Nordfrankreich, Belgien und Südholland. Zwischen 800 und 1500 Maschinen rollten auf die Startbahnen. Um den Feind und dessen Radar zu überlisten, musste der Anflug in weniger als 200 Meter Höhe und bei absoluter Funkstille erfolgen. Hitler hatte strengste Geheimhaltung befohlen. Nicht einmal die 16. Flakdivision, die genau jenen Luftraum überwachte, den Görings Piloten überfliegen sollten, war über die Operation unterrichtet worden. Die Folgen waren tragisch: Von insgesamt 277 zerstörten deutschen Maschinen gingen nur 93 auf das Konto der Alliierten, 184 Maschinen fielen dem Feuer der deutschen Flakbatterie zum Opfer, die feindliche Flugzeuge am Himmel vermutete. 59 besonders erfahrene Verbandsführer starben im
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