Göring: Eine Karriere (German Edition)
Hitler Göring über einen von Bormann verfassten und an Frank adressierten Funkspruch davon in Kenntnis setzen, er sei des Hochverrats schuldig und habe eigentlich die Todesstrafe verdient, von der er nur wegen der früheren Leistungen des Reichsmarschalls absehe, sofern dieser von allen seinen Ämtern zurücktrete und auf das Recht der Nachfolge verzichte. Umgehend schickte Göring die gewünschte Erklärung nach Berlin, doch seine völlige Unterwerfung nutzte ihm nichts. Bormanns Rachsucht gipfelte schließlich in einem an Frank adressierten Erschießungsbefehl: »Die Schlacht um Berlin nähert sich ihrem Höhepunkt. Sollten wir fallen, so haben Sie den Hochund Landesverräter Hermann Göring zu erschießen. Hitler f.[ür] d.[ie] R.[ichtigkeit] Bormann.«
Während Göring verzweifelt nach einem Ausweg aus seinem Dilemma suchte, dröhnte am Vormittag des 25. April 1945 der Himmel über dem Obersalzberg. 318 Bomber der Royal Air Force luden ihre todbringende Fracht über dem Refugium der braunen Bonzen ab. Der einst mächtigste Mann nach Hitler war gezwungen, sich mit Frau und Kind in den Keller seines Hauses zu flüchten, da ein SS-Mann ihnen den Zutritt in den weitaus sichereren Luftschutzbunker verwehrte. Erst als eine zweite Welle der viermotorigen Lancaster-Bomber herannahte, durften die Görings die 288 Stufen zum großen Bunker hinabhasten. Als die Maschinen nach rund 20 Minuten wieder abdrehten, »überwölbte ein strahlend blauer Frühlingshimmel eine schrecklich veränderte Szene«, heißt es in den Erinnerungen Bernhard Franks. Das »Führersperrgebiet« glich einer Mondlandschaft. »Die Straßen aufgewühlt von dicht aneinander gereihten Bombentrichtern. Das Gelände bis zur Unkenntlichkeit gesprengt, geschwärzt, zerfetzt. Die an den vergangenen Winter erinnernden Schneereste und das erste zaghafte Grün des Frühlings waren zergangen. Der Berghof, die Häuser Bormanns und Görings einschließlich der SS-Kaserne waren zum großen Teil bis auf den Grund zerstört oder schwer beschädigt.«
Die heile Welt am Obersalzberg versank in Trümmern – und mit ihr lösten sich die Loyalitäten in Görings engster Umgebung auf. Schon seine Verhaftung wurde von einem Untergebenen mit krimineller Energie ausgenutzt: In der allgemeinen Verwirrung ging Emmys Chauffeur zu deren Zofe und forderte die Übergabe eines Koffers mit Juwelen, angeblich, um ihn in Sicherheit zu bringen. Die gutgläubige Zofe erfüllte die Forderung – und Fahrer samt Koffer wurden nicht mehr gesehen. Viel schwerer mag den Reichsmarschall getroffen haben, dass in den Stunden der Not selbst »treue Kameraden« wie Bruno Loerzer den Zeitpunkt für gekommen hielten, sich von ihm abzusetzen. Neben 78 Kisten persönlicher Habe nahm Loerzer auch Paul Körner mit, den Göring wie Loerzer für einen seiner besten Freunde gehalten hatte.
Wenige Stunden später schien sich für Göring eine winzige Chance aufzutun, das Blatt doch noch einmal zu wenden. In seinen Tagebuchaufzeichnungen notierte Karl Koller: »Es mag gegen 5 Uhr morgens gewesen sein, da stürmen Oberst v. Brauchitsch und Bredow in mein Zimmer. … Brauchitsch, dem, weil er gleichfalls in Haft ist, Bredow nicht von der Seite weicht, überbringt mir die Aufforderung Görings, sofort nach Berlin zu fliegen und Hitler die genauen Vorgänge darzustellen. Bredow: Nicht Göring, der Führer hat das befohlen.« Umgehend machte sich Koller auf den Weg in die umlagerte Hauptstadt. Als er auf dem Flugplatz Rechlin landete, lag Berlin unter dichtem Qualm, ein Hineinkommen schien unmöglich. Anstatt in den »Führer«-Bunker fuhr Koller zum Oberkommando der Wehrmacht, das auf Befehl Hitlers Berlin verlassen und in einer Försterei bei Fürstenberg Quartier genommen hatte. Falls Koller gehofft hatte, hier Fürsprecher für eine Freilassung und Rehabilitierung Görings zu finden, so wurde er bitter enttäuscht. »Keitel tritt ins Zimmer, unser Gespräch ist nichtssagend und ergebnislos. Als ich die Vorgänge berühre, die die Verhaftung Görings verursacht haben, weicht er aus. … Himmler spreche ich wegen Göring an, er sagt: ›Das mit dem Reichsmarschall ist eine recht unglückliche Geschichte.‹ Ich erwidere, dass Göring gar nicht anders handeln konnte, doch werde ich von Keitel unterbrochen. Himmler bemerkt, er wolle sich nachher mit mir darüber noch unterhalten, doch ergibt sich das leider nach der Beratung nicht. Himmler hat vorgeblich auch dann keine Zeit, schiebt andere Besprechungen
Weitere Kostenlose Bücher