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Göring: Eine Karriere (German Edition)

Göring: Eine Karriere (German Edition)

Titel: Göring: Eine Karriere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Brausse erkundigte sich bei Feldmarschall Albert Kesselring, ob er Göring nun erschießen müsse, wovon ihm der Oberbefehlshaber Süd abriet. Kesselring seinerseits wandte sich an Dönitz, der über eine Freilassung Görings entscheiden sollte. Doch Dönitz wich aus, und auch General Koller, dem Göring ausrichten ließ, er solle jetzt handeln, hielt sich zurück. Erst einige Tage später, am 6. Mai, erschien Görings einstiger »Kunstexperte« SS-Oberführer Kajetan Mühlmann in Mauterndorf, um im Auftrag Kesselrings Görings Freilassung zu veranlassen – in Görings Augen ein allzu undramatisches Ende seiner Gefangenschaft. Er selbst behauptete später, Soldaten der Luftwaffe, die auf dem Rückzug von Italien an Schloss Mauterndorf vorbeigekommen seien, hätten ihren verehrten Chef in einer Blitzaktion befreit.
    Noch aus Mauterndorf schickte Göring einen Funkspruch an Dönitz, der an seiner Stelle die Nachfolge Hitlers angetreten hatte. Noch einmal betonte er seine Loyalität gegenüber Hitler und beklagte, Auslöser für alle gegen ihn unternommenen Schritte sei eine Intrige Bormanns gewesen, gegen die er sich nicht mehr habe wehren können. Zum Schluss kam Göring auf die geplanten Kapitulationsverhandlungen zu sprechen, die General Jodl in Dönitz’ Auftrag mit den Amerikanern führen sollte. Der entmachtete Reichsmarschall, der sich für den international beliebtesten Naziführer hielt, bot Dönitz an, im Gespräch mit Eisenhower von »Marschall zu Marschall« eine geeignete Atmosphäre für die offiziellen Verhandlungen zu schaffen. Als Dönitz nicht reagierte, beauftragte Göring seinen Adjutanten von Brauchitsch damit, über eine amerikanische Kommandostelle einen an Eisenhower persönlich gerichteten Brief zu überbringen. Als »ranghöchster Offizier der deutschen Wehrmacht« bat er um eine persönliche Unterredung auf »menschlich-soldatischer Ebene«, um »weiteres Blutvergießen in einer aussichtslosen Lage zu verhindern«.
    Es ist schade, dass so ein Mann wie Dönitz nicht die Partei repräsentiert, sondern dass diese repräsentiert wird durch Göring, der mit der Partei soviel zu tun hat wie die Kuh mit der Strahlenforschung.
    Goebbels, Tagebuch, 28. Februar 1945
     
    Doch dazu sollte es unabhängig von Eisenhowers Reaktion nicht mehr kommen. In dem Begleitschreiben seines Briefes hatte Göring Schloss Fischhorn bei Zell am See als Treffpunkt vorgeschlagen. Von dort aus erhielt General Koller am 7. Mai einen erbosten Anruf eines Major Sandmann. In der Erwartung, Göring anzutreffen, war ein amerikanisches Kommando von 30 Mann unter General Robert J. Stack eingetroffen. Göring indessen fiel der Abschied von Mauterndorf so schwer, dass er dort bleiben wollte. Widerwillig setzte er sich schließlich mit seiner Frau Emmy und der kleinen Edda in den Wagen und ließ sich unter dem Geleit von Luftwaffensoldaten in Richtung Fischhorn chauffieren. 80 Kilometer südöstlich von Salzburg traf die Kolonne bei Radstadt auf eine amerikanische Einheit. Ungeduldig war General Stack Göring entgegengefahren. Nach einem kurzen Wortwechsel begann für Göring ein neues Zeitalter: Gerade erst auf freien Fuß gesetzt, war er von nun an ein Gefangener der Amerikaner.

Das Urteil
     
    Das Kriegsende am 8. Mai 1945 erlebte Göring als Gefangener auf Schloss Fischhorn. Seine Bewacher behandelten ihn einigermaßen freundlich und respektvoll; er durfte seine Uniformen, Orden und sogar seine Waffen behalten. »Göring schien entspannt, er konnte sich gar nicht vorstellen, dass man ihn als Kriegsverbrecher bezeichnen würde«, schildert der amerikanische Soldat Rufus Legett seinen Eindruck. »Ich hatte das Gefühl, Göring rechnete fest damit, mit Eisenhower zu sprechen. Er war davon überzeugt, Eisenhower beim Aufbau einer Friedensordnung für Deutschland helfen zu dürfen.« Einstweilen wurde Göring jedoch nicht zum amerikanischen Oberbefehlshaber in Europa, sondern ins Hauptquartier von General Stack ins Grandhotel nach Kitzbühel gebracht. »Ich habe eigentlich ein gutes Gefühl, Emmy, du nicht?«, beruhigte er seine Frau beim Abschied in Fischhorn am Morgen des 9. Mai. Es sollte anderthalb Jahre dauern, bis die beiden sich wiedersahen.
    In Kitzbühel wartete Göring noch immer ungeduldig auf ein Treffen mit Eisenhower. Stattdessen wurde er einen Tag später mit einer zweisitzigen Maschine des Typs Piper Club nach Augsburg geflogen, direkt zum Hauptquartier der 7. Armee des Generalleutnants Alexander M. Patch. Im

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