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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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er Singspiel-Pläne verfolgte und von dem er sich eine Bühnenmusik für den »Egmont« erhoffte. Es wurde nicht viel daraus. Aber als Reisebegleiter war Kayser der richtige Mann.
    Goethes Briefe von unterwegs an den Herzog – und die meisten sind an ihn gerichtet – sind nicht mehr auf jenen pathetischen Ton gestimmt, wie jener Brief vom 18. März, in dem er ihm seine Bereitschaft zur Rückkehr signalisiert hatte:
Herr hie bin ich, mache aus deinem Knecht was du willst.
Nun bemüht er sich kaum noch, die bis zum Zynismus gesteigerte Bitterkeit zu verbergen. Der Ärger äußert sich auch in übellaunigen Kommentaren zur Architektur und Kunst, als sei nun seine Bereitschaft zum Enthusiasmus erschöpft. Den Mailänder Dom, dessen Erbauern er vorwirft, sie hätten dafür
ein ganzes Marmorgebirg in die abgeschmacktesten Formen gezwungen
. Mit Bitterkeit spricht er nicht nur über manche Werke der Kunst, sondern auch über sich selbst:
Denn übrigens
, schreibt er dem Herzog am 23. Mai,
bin ich ganz entsetzlich verwildert. Ich habe zwar in meinem ganzen Leben nicht viel getaugt und da ist mein Trost daß Sie mich eben so sehr nicht verändert finden sollen
.
    Es scheint ihn nicht sonderlich zu bekümmern, daß eine solche Bemerkung im eklatanten Widerspruch steht zu den früheren Beteuerungen, er werde als ein
veränderter
, als ein
gewandelter
, als ein
gereinigter
Mensch zurückkehren, um dem Herzog noch besser dienen zu können als zuvor. Statt dessen schleicht sich ein depressiver Ton ein.
Der Abschied aus Rom hat mich mehr gekostet als es für meine Jahre recht und billig ist
, heißt es in dem zitierten Brief an den Herzog. Er kauft sich für die Alpen einen Hammer. Er werde, schreibt er an Knebel,
an den Felsen pochen um des Todes Bitterkeit zu vertreiben.
    Jenseits der Alpen beginnt, wie er es erwartet hat, das schlechte Wetter. Regen, Sturm, tief hängende Wolken, Kälte. Man ist in der Nebelregion angekommen und fragt sich, wie die Menschen es hier überhaupt aushalten und warum, zum Teufel, sie sich überhaupt hier angesiedelt haben. Am liebsten würde er sogleich wieder umkehren. Während der Kutschenfahrt, irgendwo am Nordrand der Schwäbischen Alb, zwischen Biberach und Giengen, notiert er einige gute Vorsätze für das Leben in Weimar: Der Mißmut soll in Grenzen gehalten werden.
    Am 18. Juni 1788 kam Goethe in Weimar an. Am nächsten Morgen war es das erste, seinen Pflegling Fritz von Stein zu sich rufen zu lassen, und dann sprach er beim Herzog vor, wo ihm zuerst der Prinzenerzieher Kornelius Johann Rudolf Ridel begegnete, der ihn so beschreibt: »Er ist magerer geworden und war zudem sehr von der Sonne gebrannt – ich kannt’ ihn also nicht einmal gleich!«
    Die guten Vorsätze fruchteten zunächst. Bei Hofe wirkte Goethe zugänglicher als zuvor; »er zeigte sich mehr als gewöhnlich gesprächig, wie er denn wirklich Ermunterung und Zufriedenheit zurückgebracht hatte«, doch man bemerkte auch, daß er mit irgend etwas hinterm Berge hielt, denn er »verweilte bei Kleinigkeiten, um Hauptpunkten, über die er sich nicht auslassen wollte, auszuweichen.«
    Einer der Hauptpunkte, über die er sich im Bekanntenkreis und bei Hofe nicht auslassen wollte, betraf sein Verhältnis zu Charlotte von Stein. Er konnte mit anderen nicht darüber reden, aber auch nicht mit ihr. Teils verweigerte sie es und gab sich kühl, weil er nicht den richtigen Ton traf, teils wußte er selber nicht, wie es mit ihnen beiden denn weitergehen sollte. So schlich man umeinander herum und fand zu keiner Deutlichkeit. Charlotte bemängelte das und gab sich fordernd. Goethe wehrte ab:
Gerne will ich alles hören was du mir zu sagen hast, ich muß nur bitten daß du es nicht zu genau mit meinem jetzt so zerstreuten, ich will nicht sagen zerrißnen Wesen nehmest. Dir darf ich wohl sagen daß mein innres nicht ist wie mein äußres.
So war es, denn er war ganz erfüllt von einem Ereignis, das er Charlotte noch nicht mitteilen wollte.
    Am 12. Juli 1788 hatte ihn die dreiundzwanzigjährige Christiane Vulpius als Bittstellerin für ihren in Not befindlichen Bruder Christian angesprochen, der nach seinem Jurastudium immer noch ohne Anstellung war. Das Datum dieser ersten Begegnung werden die beiden in Erinnerung behalten, denn an diesem Tag begann ihre gemeinsame Geschichte.
    Christianes Eltern waren gestorben, sie lebte mit einer Tante und einer Schwester in ärmlichen Verhältnissen in Weimar. Der Vater, ein kleiner Beamter, war wegen

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