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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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den von Goethe verwendeten Ausdruck
Kunstgriff
besser als die Vermutungen des Kanzler Müller, wonach Napoleon die Verbindung von Liebesleidenschaft und gekränktem beruflichen Ehrgeiz getadelt hätte. Der
Kunstgriff
bezieht sich auf etwas Technisches, etwa wenn ein Erzähler oder Herausgeber von seinem Protagonisten etwas mitteilt, was er gar nicht wissen kann. Solche Stellen aber gibt es tatsächlich im »Werther«.
    Nach dem »Werther« kehrte das Gespräch zum Theater-Thema zurück. Napoleon mißbilligte die Mode der
Schicksalsstücke
. In diesem Zusammenhang offenbar fiel die berühmte Bemerkung Napoleons:
Was
〈...〉
will man jetzt mit dem Schicksal, die Politik ist das Schicksal.
Danach wandte sich Napoleon für eine Weile anderen Personen zu und Goethe hatte Gelegenheit, sich im Zentrum der Macht auf sich selbst zu besinnen und hier im Raum der Erfurter Statthalterei, wo er einst mit Schiller und dem Koadjutor Dalberg heitere Stunden verbracht hatte, der
Vergangenheit
zu gedenken.
Dann wendet sich Napoleon wieder Goethe zu und fragt ihn über seine persönlichen Verhältnisse aus; er wünscht einiges über das Fürstenhaus und den Herzog zu hören. Das mochte vielleicht das gewesen sein, worauf es Napoleon in dieser Situation eigentlich ankam. In Goethes Aufzeichnungen aber wird dieser Punkt nur kurz behandelt. Abschließend heißt es, daß die
Mannigfaltigkeit seiner Beifallsäußerungen zu bewundern
gewesen seien. Goethe darf sich also von Napoleon aufs höchste anerkannt fühlen. Mit diesem Gefühl konnte er nach Weimar zurückkehren.
    Dort hatte er noch zweimal Gelegenheit, mit Napoleon zu sprechen, denn nach dem Fürstenkongreß stattete dieser dem Herzogtum noch einen Besuch ab. Es wurde aber genau vermerkt, daß Napoleon diesmal länger mit Wieland sprach als mit Goethe. Beiden, Wieland und Goethe, wurde dann am 14. Oktober 1808 der Orden der Ehrenlegion verliehen.
    An Cotta schrieb Goethe Anfang Dezember:
ich will gerne gestehen, daß mir in meinem Leben nichts Höheres und Erfreulicheres begegnen konnte, als vor dem französischen Kaiser und zwar auf eine solche Weise zu stehen. Ohne mich auf das Detail der Unterredung einzulassen, so kann ich sagen, daß mich noch niemals ein Höherer dergestalt aufgenommen, indem er mit besonderem Zutrauen mich, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, gleichsam gelten ließ, und nicht undeutlich ausdruckte, daß mein Wesen ihm gemäß sei
〈...〉
so daß ich in diesen seltsamen Zeitläuften wenigstens die persönliche Beruhigung habe, daß wo ich ihm auch irgend wieder begegne, ich ihn als meinen freundlichen und gnädigen Herren finden werde.
    Der Verleger Cotta, der eigentlich vom Fortgang der literarischen Arbeiten hatte etwas hören wollen, erhält diesbezüglich den Bescheid:
Daß alle literarischen Arbeiten zugleich mit allen andern Geschäften durch diese Begebenheiten unterbrochen worden ist leider zu vermuten. Ich versuche dieses und jenes wieder anzuknüpfen; noch aber will es nicht fließen.

    Anmerkungen

Siebenundzwanzigstes Kapitel
    »Pandora« oder Goethes Doppelmaske: tüchtiger Prometheus und
    träumender Epimetheus. Die Vollendung der »Farbenlehre«. Von den
    Taten und Leiden des Lichtes. Gegen Newton. Lob der Anschaulichkeit.
    Natur als Lebensgefühl und als Forschungsobjekt. Begegnung mit
    Schopenhauer. Der Schüler, der gerne zum Lehrer wird.
    Jenes Werk, das nach der Begegnung mit Napoleon nicht mehr fortgesetzt wurde, war das Drama »Pandora«, an dem Goethe im November und Dezember 1807 zu arbeiten begonnen hatte und das ihn noch bis zum Juni 1808 in Karlsbad beschäftigte. Dann brach er ab. Ein
etwas abstruses Werkchen
nannte er es, doch gab er es so unvollständig wie es war in den Druck. Er empfahl, sich das Stück laut vorlesen zu lassen, denn nur so könne es zu einiger Wirkung gelangen. Er hatte sich von der Zeitschrift »Prometheus« in Wien zu einem Stück anregen lassen, in dem das Prometheus-Motiv, das ihn schon zweimal zu einer Bearbeitung gereizt hatte, wieder eine Rolle spielte. Dieses Mal aber ist Prometheus nicht der kühne, trotzige Menschenbildner, der sich mit Zeus anlegt, sondern der Prototyp der gediegenen Tüchtigkeit, ein Ansporn dem
wackern arbeitstreuen Volk
. Dieser Prometheus verlangt
Parteilichkeit
für die nützlichen Werke, anders als sein Bruder Epimetheus, ein in Traum und Erinnerung versponnener Geist, der seiner entschwundenen Geliebten Pandora wehmütig gedenkt und ihre Wiederkehr erhofft. Goethe

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