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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Safranski
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trauen, und so zog sie allein einen Treffer, während viele tausend Nieten fielen«. Goethe war erbost. Er schrieb seinem Verleger Cotta, der jenes Blatt verlegte, einen langen geharnischten Brief, den er dann doch nicht abschickte, um statt dessen in einem kurzen Brief nur anzumerken, er habe sich
sehr unschicklich und unanständig behandelt
gefühlt. Er wünschte keinen Bruch mit Cotta, denn er hatte mit ihm schon die nächste sehr gut honorierte Werkausgabe verabredet. Und darum endet der kurze Brief sehr verbindlich:
fühlen Sie die Schönheit unsres Verhältnisses in seinem ganzen Umfang, so machen Sie diesen unwürdigen Redereien ein Ende, die sehr bald ein wechselseitiges Vertrauen zerstören müßten.
    Zur
Umwendung der Dinge
bei Zusammenbruch der alten Ordnungen gehört neben der Klärung der Eigentumsverhältnisse, der Eheschließung, auch ein neues Selbstverständnis als Autor. Noch stärker als zuvor agiert Goethe nun mit entschlossener Professionalität.
In den schlimmsten Stunden, wo wir um alles besorgt sein mußten, war mir die Furcht meine Papiere zu verlieren die peinlichste, und von der Zeit an schick’ ich zum Drucke fort, was nur gehen will
. Tatsächlich wird er von nun an seine Manuskripte weniger zögernd den Verlegern überlassen. Die »Farbenlehre« gibt er in den Druck, obwohl sie noch gar nicht fertig geschrieben ist. Daß er die als Novelle im Rahmen der »Wanderjahre« konzipierten »Wahlverwandtschaften« herauslöst und für seine Verhältnisse fast eilig als Roman erscheinen läßt, wäre zuvor so kaum denkbar gewesen.
    Man war einigermaßen erstaunt, wie schnell Goethe seinen Frieden machte mit den neuen Verhältnissen. Den Patrioten und Napoleongegnern war das entschieden zu schnell. Goethe ärgerte sie, indem er in Gesprächen sagte, man sei eben einem Größeren unterlegen, und es sei einzig der
kindisch egoistische Widerspruchsgeist,
der dies nicht wahrhaben wolle
.
Der Freiheitssinn und die Vaterlandsliebe, die man aus den Alten zu schöpfen meint, wird in den meisten Leuten zur Fratze
, sagte er zu Riemer, der es säuberlich festhielt, auch die wegwerfende Bemerkung über den
Professorenstolz
, der ganz und gar lächerlich, weil bloß etwas angelesenes sei. Statt sich in fruchtlosem Oppositionsgeist zu verzehren, sei es besser,
das bis jetzt noch unangetastete Palladium unserer Literatur aufs eifersüchtigste zu bewahren.
Hier könne man etwas leisten und verhindern,
daß der in dessen Hand jetzt Deutschlands Schicksal liege, die Achtung die wir ihm durch ein höheres geistiges Übergewicht abgenötigt haben, nicht verliere.
    Auf Napoleons Achtung war man tatsächlich angewiesen, denn Weimars Schicksal hing am seidenen Faden. Daß der Herzog sich auf die Seite Preußens geschlagen hatte, war von Napoleon übel vermerkt worden, und eigentlich wollte er ihn dafür bestrafen. Doch er sah schließlich davon ab, das Territorium aufzuteilen und das Herzogtum überhaupt verschwinden zu lassen, wohl vor allem mit Rücksicht auf die verwandtschaftlichen Verbindungen zum Zaren, dessen Schwester Karl Augusts Schwiegertochter war. Zu diesem Zeitpunkt wollte Napoleon keinen Ärger mit Rußland.
    So kam es, daß der Herzog im Februar 1807 zurückkehren und die Regierungsgeschäfte in Weimar wieder aufnehmen konnte. Weimar gehörte nun zu den Rheinbundstaaten und stand unter französischer Oberaufsicht. Dem Land wurden Kontributionen in Höhe von über 2 Millionen Franc aufgebürdet. Voigt erhob Einspruch und verwies auf die spärlichen Einnahmen des Landes, von 150 000 Franc jährlich. Es gab zunächst kaum ein Entgegenkommen. Es half auch nichts, daß der weimarische Gesandte (und spätere Kanzler) Johannes Müller die wissenschaftlichen und literarischen Leistungen des Herzogtums geltend machte. Goethes Hoffnung, die Weimarer Kultur würde mit ihrem
geistigen Übergewicht
dem Sieger
Achtung
abnötigen, erfüllte sich nur insoweit, als bei den französischen Offizieren und bei Napoleon selbst Wieland und auch Goethe in einigem Ansehen standen. Doch an den auferlegten Lasten und Verpflichtungen änderte dies nichts.
    Während der Herzog sich nur mit innerem Vorbehalt in die Verhältnisse schickte und seine Geheimräte zu Hause regelmäßig in Alarmstimmung versetzte, wenn er in der gelockerten Atmosphäre von Karlsbad oder Marienbad seine Sottisen über Napoleon zum Besten gab, war Goethe mit der neuen Situation durchaus einverstanden. Er war bereit, um des Friedens willen die napoleonische

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