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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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sehen.«
    »Er glaubt kein Wort von dem, was er sagt,« kicherte Herder, boshaft blinzelten seine Augen. »Gehe ihm nicht auf den Leim! Der Herzog hat den Fürstenbund im Leibe und sonst nichts, und vergeht darüber, daß er ihn nicht gebären kann, bevor nicht die Herzogin gebiert.«
    »Ich habe gehört«, sagte Goethe – er aß nun – »daß der Herr Generalsuperintendent eine Taufrede vorbereitet hat, darin der Ton den Superlativ von Würde und der Gedanke den Himalaya der Weisheit ersteigt. Stimmt das?«
    Prompt – Herder war aufgefahren – griff die Hausfrau ein. Sie war schon als Kind dazu erzogen worden, auf Eiern tanzen zu können und die Disharmonien – wie ihr Herr Vater, der gewesene Hofmarschall zu sagen gepflegt hatte – zu »applanieren.« Hatte sich weiters, in elf Jahren Gemeinsamkeit mit Goethe, daran gewöhnt, dann, wenn in ihrer Gegenwart das Format und der Inhalt seiner Natur von den Personen der Zeitgenossen allzuscharf abstachen, die Kluft mit dem Steg ihres unfehlbaren bon ton zu überbrücken. Knebel war ein kulturliebender Philister. Herder ein Arrivierter des Geistes. Goethe aber die Rechtfertigung ihrer Existenz! »Sie wissen also noch nicht, ob Sie nächste Woche reisen können?« fragte sie ihn sanft, beugte sich, daß das schwarze Taffetkleid mit dem weißen Atlasrand im Busenausschnitt Lichter bekam, ihm zu und legte das fünfte Pastetchen auf den Teller.
    »Ich verzweifle daran.« Er würgte, ohne aufzusehen, hinab. »Haben Sie Nachrichten von Josias?«
    »Daß es kalt ist in Pyrmont. Sonst nichts.«
    »Kalt wie hier!« Als ob ihm eine Gänsehaut über den Rücken hinabliefe, krümmte er sich. »Und wie geht es Ernesten?«
    Ihr Gesicht, das nicht schön war, ihre vierundvierzig Jahre allzu gewiß bestätigte, hob sich schmerzlich um einen Zoll. Klar, offen, ohne jeden Rückhalt blickten die Augen von Knebel über Herder zu Goethen und blieben über ihm ruhen. Und während sich nun die Hände unwillkürlich langsam über der mädchenhaften Brust falteten, seufzte der Mund, süß fast: »Der Arme!«
    Knebels Gesicht verzog sich zum zweitenmal. »Was hat unser Starke in Jena gesagt?«
    Im Nu wechselte Goethe das Thema. »Kannst du mir morgen einen Brief für Batsch mitnehmen?« fragte er.
    Knebel nickte. Ob aber Goethe vor der Reise nicht noch hinüberkäme? Goethe wich aus; wie der Unterricht im Italienischen anschlage? Knebel hob hüstelnd die Hand an das Kinn; sprach mit unitalienischem Munde: » spero di poter fra breve avvicinarmi a Dante. « Man lachte. Fritz plappere schon sehr niedlich, meinte Frau von Stein mit einem mütterlichen Blick auf ihres Jüngsten Pflegevater. Herder bekannte, daß die italienische Sprache ungemein viel durchgebildeter sei, als ihre Musik verraten lasse. Es entstand der Streit, ob die Römer ihr Latein wohl etwa ähnlich ausgesprochen haben dürften wie die Italiener ihr Italienisch? Goethe und Herder bejahten. Knebel protestierte; die Quetschlaute verletzten sein puritanisches Lukrez-Ohr. »Aber«, sprang er hurtig ab und sah Goethe eifersüchtig an, »warum greifst du jetzt auch noch zum Italienischen? Die Fakultäten in Jena schütteln die Köpfe über dich. Mit Loder, – das ist schon verjährt. Aber mit Batsch macht er jetzt in Infusionstierchen, mit Wiedeburg Algebra, mit Griesbach redet er stundenlang über die Dekretalen Isidors, und daheim paukt er sich und Ihrem Fritz Italienisch ein. So nebenbei. Du bist ein Vampyr!«
    »Was macht die Wielandin?« fragte geistesgegenwärtig Frau von Stein, noch ehe die Pause zu peinlich wurde; Goethe tat, als ob er allein wäre, aß unbewegt sein Pflaumenkompott und goß nacheinander zwei Gläser Wein hinab. Schroff erhob sich Knebel; streifte den Frack glatt. »Auch noch nicht geboren!« knurrte er.
    »Er kommt heut Abend noch zu mir,« sagte Herder und stand ebenfalls auf. »Hat er nicht jetzt mit deiner Iphigenie zu tun?« Weil aber auch darauf kein Wort von Goethe her kam, sondern nur ein starrer, stummer Blick, wandte er sich entschlossen zum Abschied. »Er ist ein armer Teufel!« jammerte er – kranzartig scharten sich die drei Männer um Frau von Stein in der Tür – »jetzt geht die Bettelei um die Taufpaten von neuem an.«
    »Es gibt nichts Schrecklicheres, als einen Dichter; von der Nähe besehen!« erklärte Goethe, – da waren sie schon draußen.
    Eine gute Minute lang noch hörte man Herdern im Vorsaal mit dem Bedienten sich unterhalten; das war seine Weise. Und Knebeln pfeifen. Dann –

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