Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
Haltestelle, paar Meter vom Wartehäuschen entfernt, ich hab während der
Pause immer das Licht am Bus ausgeschaltet, um bisschen zu dösen. Da hielt ein
dunkelblauer Wagen, ein Mann stieg aus, ging ins Wartehäuschen und kam mit zwei
Frauen wieder raus. Die eine Frau ist total besoffen gewesen, der Mann musste
sie stützen, sonst wär sie gar nicht bis zum Auto gekommen.«
Siggi
und ich sahen uns an. Sie hatten Jolanta Pajak ein Betäubungsmittel gegeben.
Zumindest lebte sie zu diesem Zeitpunkt noch.
Siggi
hakte sofort nach. »Können Sie sich an die Haarfarbe der beiden Frauen
erinnern?«
»Nee,
die hatten beide Mützen oder Hüte oder so was Ähnliches auf.«
»Die
Statur? Klein oder groß, untersetzt oder schlank?«
»Wie
soll ich das denn erkannt haben, war ja ziemlich dunkel, hab ich doch schon
gesagt!«
»Und
das Auto, welche Marke? Farbe?«
»Da hab
ich nicht drauf geachtet, aber ein Teil des Kennzeichens hab ich erkannt. Ein
›F‹.«
»Frankfurt?«
»Ja,
genau, ein Wagen aus Frankfurt.«
Im
selben Moment klingelte mein Handy. Eine unbekannte Nummer.
»Herr
Wilmut, hier ist Patrick Meininger.«
Ich
stutzte.
»KOK
Meininger«, schob er hinterher.
Was
wollte der denn?
»In
Ihrem Haus in der Humboldtstraße wurde eingebrochen …«
»Wie
bitte?«
»Ja,
ein Nachbar hat uns gerufen, die Terrassentür stand offen, aufgebrochen, es ist
unklar, ob etwas gestohlen wurde, soweit oberflächlich zu sehen, fehlt nichts.
Aber …«
»Was
aber?«
»Ihre
Frau ist nicht da, ich meine, hoffentlich ist alles in Ordnung mit ihr?«
»Ja,
sie ist im Krankenhaus … zur Beobachtung.«
Hatte
das etwas mit dem Fall Pajak zu tun? Wenn tatsächlich nichts gestohlen worden
war, konnte es der Einbrecher nur auf Hanna abgesehen haben. Panik überfiel
mich. Irgendwo lief ein Mörder herum und ich ließ den Menschen, der mir am
meisten bedeutete allein in einem Krankenhausbett liegen. »Ich fahre sofort zu
ihr.«
»Okay,
so lange bleibt ein Kollege von der Schutzpolizei hier in Ihrem Haus.«
»Ah,
sehr gut. Und Herr Meininger …«
»Ja?«
»Danke,
dass Sie angerufen haben!«
27. Im Kranken-Goethe-Haus
Der Streifenwagen raste mit
Blaulicht und Sirene durch das nächtliche Weimar. Siggi hatte mich ohne Zögern
begleitet. Ich dachte nicht mehr an meinen Passat, der am Busbahnhof stand,
auch nicht mehr an unser Haus in der Humboldtstraße, in das eingebrochen worden
war, nein, ich dachte nur an Hanna. Tränen stiegen mir in die Augen.
Zum
zweiten Mal an diesem Samstag hielten wir vor dem Krankenhaus. Kurz vor 23 Uhr.
Die Station M3 lag ruhig da. Kein Mensch auf dem Flur. Siggi und ich schlichen
uns in Richtung Stationszimmer. Hell erleuchtet, aber leer. Keine
Nachtschwester. Ich winkte Siggi zu und zeigte in Richtung von Hannas Zimmer.
Er zog die Waffe. Die Tür stand eine Handbreit offen. Wir lugten hinein. Hanna
lag mit dem Rücken zu uns. Von der anderen Seite des Betts beugte sich eine
blonde Frau über sie.
»Halt,
Polizei!« Siggi stürzte mit gezogener Pistole ins Zimmer, ich hinterher.
Schwester
Elke hob den Kopf. In der Hand hielt sie ein Blutdruckmessgerät. Ihr Gesicht
war aschfahl. Hanna drehte sich um. Als sie uns sah, Siggi mit der Waffe im
Anschlag, zu allem bereit, mich mit wutverzerrtem Gesicht, den Tränen nahe,
meinte sie nur: »Ihr seid wohl auf Schwesternjagd.«
Eine halbe Stunde später hatten
sich alle wieder beruhigt. Siggi und ich entschuldigten uns mit hochrotem Kopf
bei Schwester Elke. Zwar hatte ich sie nur einmal gesehen, hätte jedoch
schwören können, sie sei dunkelhaarig. Natürlich nahm sie unsere Entschuldigung
an, aber wahrscheinlich würde sie so schnell nicht vergessen, in den Lauf einer
Waffe geblickt zu haben.
Siggi
war danach schnell verschwunden, er musste sich um den Wagen mit Frankfurter
Kennzeichen kümmern und KHK Volk anrufen, denn durch die Aussage des Busfahrers
lag es nahe, dass Jolanta Pajak nach Frankfurt entführt worden war.
Hanna
ging es körperlich gut, ihren mentalen Zustand konnte ich nur erahnen. Als ich
berichtete, dass in unserem Haus eingebrochen worden war, begann sie sofort zu
weinen.
»Was
läuft denn plötzlich schief in unserem Leben?«, schluchzte sie. »Wir haben doch
niemandem etwas getan, oder?«
»Nein«,
antwortete ich und nahm sie in den Arm, »aber wir haben versucht, Benno und
Sophie zu schützen, und irgendjemandem gefällt das nicht.« Ich trocknete ihre
Tränen. »Benno hat sich den ganzen Tag über noch nicht gemeldet.
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