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Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Titel: Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
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›Das verstehe ich …‹ so
gegen mich zu verwenden, dass ich ein schlechtes Gewissen bekam, mich fast
schuldig fühlte. Da war sie wieder, seine Dominanz. Aber ich hatte
dagegenhalten können, hatte ihm gesagt, dass er aufpassen musste, sich nicht so
zu verhalten, wie Clavigos Freund Carlos, so windig und einschmeichelnd, und
dass das Leben keine Theaterbühne war …
    Der
Gedanke fiel wie ein Stein in mein Bewusstsein. Die Lösung lag in meinen
eigenen Worten. In den Worten, die ich mit unbedachtem Hintersinn ausgesprochen
hatte, um Liebrich Einhalt zu gebieten. Denn dieser Mann wollte immer mehr,
vielleicht war er süchtig nach Macht, quasi eine Abhängigkeit von der
Abhängigkeit. Er wollte nicht nur Waldmann als seinen versklavten Sekretär,
sondern auch Benno als Marionette. Und sein Vorbild war Carlos, der seinen
Freund Clavigo dazu überredete, die geliebte Marie zu verlassen. Seine Vorlage
war der ›Clavigo‹, nicht die Figur selbst, nein, das Theaterstück, die gesamte
Handlung. Sie sollte von Goethes Kreativitätszentrum über Liebrichs
Machtgedanken bis in Bennos Unterbewusstsein strömen. Der verhinderte
Generalintendant in seiner größten Leistung: Ein Schauspiel, das nicht auf der
Theaterbühne, sondern auf der Lebensbühne stattfand. Benno war Clavigo. Sophie
hatte die Marie gegeben. Was geschah mit ihr am Ende des Schauspiels: Sie
starb.
    Mich
schauderte.
    Ich sah
die schlafende Hanna an. Sie musste nach Liebrichs Spielanleitung Maries
Schwester sein. Keine Gefahr.
    Langsam
straffte sich mein Rücken. Selten hatte ich mich so stark gefühlt. Mit diesem
Wissen würde ich Liebrichs Pläne durchkreuzen. Da war ich mir ganz sicher. Und
– Alibi hin oder her – ich würde herausbekommen, ob er auch Jolanta Pajak
entführt und Sophie umgebracht hatte.

28. In einem Kopf
     
    Pierre hatte beschlossen,
Hendrik Wilmut zu beobachten. Das war nicht einfach, denn der Kerl war kaum zu
Hause, ständig unterwegs. Offensichtlich hatte er im Krankenhaus übernachtet,
jedenfalls kam er erst am Sonntag gegen 6 Uhr morgens wieder heraus. Pierre
hatte die Nacht in seinem Auto verbracht. Nun folgte er Wilmut, quer durch
Weimar, so früh an einem Sonntag war das nicht einfach, weil er sich nicht
hinter anderen Autos verstecken konnte. Zunächst nahm Wilmut ein Taxi bis zum
Busbahnhof, stieg dort in sein Auto, einen VW Passat Kombi, und fuhr dann in
Richtung Oberweimar. Zu Pierres größtem Erstaunen bog Wilmut in die Straße Am
Horn ein, wo er schließlich an Liebrichs Villa klingelte.
    Pierre
zitterte.

29. Nicht in Hollywood
     
    Einen Moment, beim Überqueren
der Kegelbrücke, hatte ich das Gefühl, von einem roten Fahrzeug verfolgt zu
werden. Doch dann war es verschwunden. Ich parkte vor Liebrichs Anwesen. Zu
meinem Erstaunen brannte Licht im ersten Stock der Villa. Ich klingelte. Ohne
Verzögerung öffnete sich die Tür. Ich nickte zufrieden. Er erwartete mich.
Schlaflos. Mit schlechtem Gewissen – hoffentlich.
    Liebrich
stand wieder auf der obersten Treppenstufe, nicht mehr so imposant wie gestern,
eher abwartend. Er sah aus, als sei er die gesamte Nacht über nicht ins Bett
gekommen, in voller Kleidung, die Haare in Unordnung, gerötete Augen. Ich ging
einfach an ihm vorbei, ohne zu fragen, ob ich eintreten dürfe. Er tolerierte es
und kam mir nach in sein eigentümliches Herrenzimmer. Eine Cognac-Flasche stand
auf dem Tisch.
    Mir war
nicht danach, lange um den heißen Brei herumzureden. »Ich weiß, was Sie hier
abziehen, Herr Liebrich. Eine Clavigo-Realityshow. Sie hätten damit besser auf
der Theaterbühne bleiben sollen.«
    Er sah
mich an, mit einer Mischung aus Anerkennung und Spott. In jedem Hollywood-Film
wäre jetzt der Satz gefallen: ›Ich habe Sie wohl unterschätzt.‹ Doch Weimar war
eben nicht Hollywood.
    »Sie
kommen immer direkt zum Wesentlichen. Das gefällt mir.«
    »Schön.
Dann bleiben wir beim Wesentlichen: Haben Sie Sophie getötet?«
    »Sophie
Kessler«, antwortete er, »das wollte ich nicht, also … was ich sagen will: Das
war nicht vorgesehen.« Zum ersten Mal bemerkte ich einen Ansatz von
Unsicherheit in seiner Stimme.
    »Aha,
und was war vorgesehen?«
    »Nun
ja, wenn ich das so sagen darf …«
    »Sie
dürfen!«
    »… ich
wollte nur, dass sie Herrn Kessler in Ruhe lässt.«
    Ich
spürte Wut in mir aufkommen. »Eine Frau soll den Mann, den sie liebt, in Ruhe
lassen? Sie haben vielleicht Vorstellungen!«
    »Liebe?
Pah!«
    »Und,
wie wollten Sie es bewerkstelligen, dass sie ihn in

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