Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
die Wand und schloss die Augen. Nach wenigen Minuten
hatte ich plötzlich das Gefühl, jemand stünde neben mir. Ich schlug die Augen
auf. Ein Mann – ich schoss hoch.
»Hallo,
Hendrik!«
»Verdammt,
Richard, hast du mich erschreckt!«
»Entschuldige«,
sagte Kriminalhauptkommissar Volk, »ich wollte dich nicht wecken, wie geht es
dir?«
Wir
setzten uns beide. »Na ja, die Schulter hat etwas abbekommen, aber sonst okay.«
»Schönen
Gruß von Siggi, er kommt morgen nach Frankfurt.« Ich nickte. »Ich soll dir
ausrichten, dass die Fahndung nach Waldmann nichts gebracht hat. Der Kerl ist
wie vom Erdboden verschluckt.«
»Aha
…«, sagte ich und sah zu Boden.
»Weißt
du etwas über ihn?«
»Nein.«
»Aha …
zumindest bin ich einen kleinen Schritt weitergekommen. Es betrifft das
dunkelblaue Fahrzeug F-ZE, du weißt schon …«
»Ja, ja
…«
»Diese
Hermine Schlierbach, sie war verheiratet. Ihr Mann ist vor zwei Jahren
verstorben, danach hat sie wieder ihren Mädchennamen angenommen. Und nun rate
mal, mit wem sie verheiratet war?«
»Tut
mir leid, Richard, aber heute Abend kann ich nicht mehr raten.«
»Mit
einem gewissen Herbert Waldmann.«
Ich
setzte mich auf. »Herbert Waldmann … war das der Vater von Joachim Waldmann?«
»So ist
es.«
Auf
einmal war ich wieder hellwach, die Gedanken ratterten durch meinen Kopf wie
durch eine Registrierkasse. »Weißt du, warum sie ihren Mädchennamen wieder
angenommen hat?«
Richard
Volk hob die Schultern. »Nein, wir wissen ansonsten nur, dass sie als MTA in
der Uniklinik arbeitet, mehr nicht, die Kollegen ermitteln weiter.«
»Richard,
ich muss dir etwas sagen.«
»Das
dachte ich mir.«
»Ihr
Sohn, Joachim Waldmann … er ist hier in Frankfurt.«
Er
nickte, so als hätte er es geahnt. Wahrscheinlich konnte ich nicht gut lügen.
»Vorhin
im Südbahnhof, als ich auf den Gleisen lag, hat er mir geholfen, mir
möglicherweise sogar das Leben gerettet, entschuldige bitte.«
»Schon
gut, du bist in einer schwierigen Situation, Hanna im Krankenhaus, die Sache mit
Benno und nun ein Mordanschlag auf dich.«
»Ein
Mordanschlag?«, fragte ich entsetzt.
»Ja
sicher. Oder wie würdest du das bezeichnen? Schließlich bist du nicht
freiwillig vor den Zug gesprungen. Außerdem haben wir einige Zeugen, es standen
ja genügend Leute herum.«
Ich
schluckte schwer. Natürlich hatte es jemand auf mich abgesehen. Aber das Wort
›Mordanschlag‹ schockte mich. Es klang so real. Für meinen Geschmack zu real. Ich wollte es gar nicht hören. »Und?«
»Eine
Frau mit einem großen Stockschirm wurde beobachtet, offensichtlich hat sie dir
mit dem Schirm einen Stoß versetzt. Kann das stimmen?«
Ich
versuchte, mich an den Stoß zu erinnern, aber es gelang mir nicht.
»Zieh
bitte mal dein Hemd hoch«, sagte Richard.
»Was?«
»Na
komm, ich möchte die Stelle sehen, an der dich der Stoß traf.« Ich stand auf,
zog das Hemd aus dem Hosenbund und zeigte ihm meine linke Nierenregion. »Ja,
das passt, ein kreisrundes Hämatom, Größe könnte stimmen, hier …«
Ein
stechender Schmerz fuhr durch meinen Rücken. Ich schrie laut auf. »Mann, was
soll das denn?«
»Entschuldige
bitte, war das die Stelle?«
Ich sah
ihn erstaunt an. »Ja.«
»Gut,
dann sind wir jetzt quitt«, grinste er.
»Oh
Mann«, stöhnte ich und setzte mich wieder, »was sind das denn für
Polizeimethoden …«
»Mehrere
Zeugen haben die Frau gesehen, mit einem hellen Mantel, eben diesem Schirm und
einer Sonnenbrille. Heute schien weder die Sonne noch hat es geregnet. Und die
Frau war blond.«
»Groß?
Klein? Dick oder dünn?«
»Tja«,
meinte KHK Volk, »da teilen sich die Meinungen. Außer den bereits erwähnten
Merkmalen gab es keine Übereinstimmungen in den Zeugenaussagen. Einmal groß,
einmal klein, angeblich mit einer Handtasche, dann wieder ohne, also völlig
durcheinander.«
»Und
was machen wir jetzt?«
»Wir
warten, bis du hier fertig bist, dann fahren wir zu Frau Schlierbach.«
»Ihr
wisst, wo sie ist?«
»Zumindest
wissen wir, wo sie wohnt, im Nordend, Winterbachstraße.«
Ich
schoss hoch. »Na, dann los!«
Die MTA
kam um die Ecke. »Sie gehen nirgendwo hin. Kommen Sie mit.« Ihre Stimme hatte
etwas Kasernenhofartiges, ohne dass ich es ihr jedoch übelnehmen konnte. Ich
folgte ihr.
Eine gute halbe Stunde später
saß ich bei dem Radiologen, um die MRT-Bilder zu besprechen. Eine
Kapselprellung, ein Muskelfaserriss und jede Menge Hämatome an Schulter, Rücken
und dem linken Bein,
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