Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)

Titel: Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Köstering
Vom Netzwerk:
verließ ohne ein
weiteres Wort das Lokal.
    Ich
hielt ihn nicht zurück.
     
    Langsam ging ich durch die
Brückenstraße zum Südbahnhof. Wütend kickte ich eine leere Coladose gegen die
Hauswand. Benno wollte unsere Freundschaft beenden, mich nicht mehr sehen.
Völliger Quatsch … Ich beschloss, das zu ignorieren. Missmutig schlenderte ich
weiter, zog meinen Kragen hoch und überquerte den Diesterwegplatz. An Gleis 2
angekommen, sah ich, dass in fünf Minuten ein Zug in Richtung Offenbach
eintreffen würde. Wenigstens hier hatte ich etwas Glück.
    Doch
dieses Glück sollte nur kurz anhalten.
    Ich
stand am Bahnsteigrand und starrte in das dunkle Loch des S-Bahn-Tunnels rechts
von mir. In meinem Rücken füllte sich die Plattform zusehends. Die fünf Minuten
waren um, immer noch keine S-Bahn in Sicht. Ich sah ärgerlich auf meine
Armbanduhr und beugte mich nochmals nach vorn, um die Bahn aus dem Tunnel herauszulocken.
    Die
nächsten Sekunden konnte ich später nur noch unscharf rekonstruieren. Ich spürte
einen Stoß im Rücken, drehte mich seltsam um die eigene Achse, verlor das
Gleichgewicht und fiel. Hinter mir erklang das hohe Kreischen einer
Frauenstimme. Ich versuchte mich instinktiv abzustützen. Ein scharfer Schmerz
stach mir in die linke Schulter, als ich auf den Gleisen aufschlug. Wenigstens
hatte ich es geschafft, meinen Kopf mit dem linken Arm zu schützen, sodass ich
bei Bewusstsein blieb. Das rettete mir wahrscheinlich das Leben. Als ich
realisiert hatte, dass ich auf den Bahngleisen lag, erlitt ich einen leichten
Schock.
    »Stehen
Sie auf! Schnell, stehen Sie auf!«, rief ein Mann von oben. In
Sekundenbruchteilen meinte ich, die Stimme des Mannes schon einmal gehört zu
haben, dann rappelte ich mich langsam auf. Aus dem Tunnel drang das Geräusch der
herannahenden S-Bahn. Die Schmerzen in der linken Schulter nahmen mir fast die
Luft. Der Mann lag inzwischen auf dem Boden des Bahnsteigs, beugte sich über
den Rand, zwei andere Männer hielten ihn fest, ich gab ihm meine rechte Hand,
mit der linken ging gar nichts mehr, und ließ mich langsam hochziehen. Der Zug
bremste mit kreischendem Lärm, er sollte es aber nicht mehr schaffen, vor
meiner Unfallstelle zum Stehen zu kommen. Alle drei Männer zerrten an mir und
ich hörte die S-Bahn heranrauschen. Angst. Zum zweiten Mal in meinem Leben
verspürte ich echte Todesangst. Mein Oberkörper lag bereits auf dem Bahnsteig,
als ich den Sog des Zugs spürte. Viele Leute schrien. Mit letzter Kraft schob
ich mein Knie über die Kante, einer der Männer griff danach und riss mich in
die Höhe. Das entsetzte Gesicht des Zugführers zusammen mit meinem Hintern an
der Bahnsteigkante zierte am nächsten Tag die Titelseiten der Zeitungen. Ein
junger Mann hatte es mit seinem Handy aufgenommen.
    Schwer
atmend lag ich auf dem Rücken. Viele Hände kümmerten sich um mich, eine Frau
weinte, man gab mir zu trinken und einen Pullover als Kopfkissen. Von draußen
hörte ich bereits das Martinshorn des Notarztwagens.
    Die
Stimme, die mich bereits angesprochen hatte, als ich unten auf dem Gleisbett lag,
erklang direkt neben mir. »Geht’s Ihnen gut, Herr Wilmut?«
    Ich
drehte meinen Kopf und sah den Mann erstaunt an. »Ja, danke«, antwortete ich,
»es geht mir gut, Herr Waldmann.«
    Er
nickte zufrieden. Dann verschwand er.

31. Frankfurt, Winterbachstraße
     
    Die Notärztin untersuchte mich
noch auf der Fahrt ins Krankenhaus Sachsenhausen und stellte fest, dass ich
keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten hatte. Die Schulter müsse natürlich
genau angesehen werden, aber ansonsten sei alles in Ordnung. Sie meinte, ich
habe Mordsglück gehabt. Sie korrigierte sich umgehend: Riesenglück. Im
Krankenhaus in der Schifferstraße angekommen wurde die Beweglichkeit meiner
Schulter getestet, was höllisch wehtat. Dann setzten sie mich in den
Wartebereich der Radiologie, denn ich musste in die Röhre, es würde aber eine
Weile dauern bis der Bereitschaftsarzt der Radiologie und die MTA eintrafen.
Ich machte mich auf eine langweilige Wartezeit gefasst und hoffte, dass ich
nicht schon wieder eine Nacht im Krankenhaus verbringen musste. Es war fast 23
Uhr. Außer mir befand sich niemand auf dem Krankenhausflur. Nachdem ich alle
verfügbaren Zeitschriften durchgeblättert hatte, merkte ich, dass ich müde
wurde. Die letzte Nacht mit minimalem Schlaf und die vielen Ereignisse des
Tages machten sich bemerkbar. Ich lehnte mich in dem unbequemen Hartschalensitz
zurück, legte den Kopf an

Weitere Kostenlose Bücher