Goethesturm: Hendrik Wilmuts dritter Fall (German Edition)
stimmt.«
»Aus
Weimar?«
»Ja.«
»Aha …«
Er sah mich verunsichert an.
»Die
Polizei hat Sie doch angerufen, oder?« Er rang um Worte, wurde jedoch erlöst.
Das Interview war beendet. Benno kam auf mich zu.
»Hallo,
Hendrik!«
Ich gab
ihm die Hand. »Hallo, Benno, schön, dich zu sehen.«
»Verfolgst
du mich seit Neuestem?«
»Nein,
Benno, ich muss mit dir reden, bitte, es ist wirklich wichtig.«
»Wieder
wegen Sophie?«
»Ja,
nein, also …«
Benno
sah den Wahlkampf-Adonis an. »Herr Bräunlich, wir gehen einen Moment auf den
Flur.«
Der
zögerte. »Also gut, aber bitte nur fünf Minuten, dann geht’s hier weiter!«
»Kein
Problem, zwei Minuten reichen mir«, sagte Benno. Dann drängte er mich hinaus.
Wir gingen ein paar Schritte in einen Seitenflur. »Ich weiß, Hendrik, du willst
wieder unsere Ehe retten, aber die ist nicht mehr zu retten. Das Thema ist
durch. Also, lass mich bitte in Ruhe!«
Als ich
ihm zuvor die Hand gegeben hatte, dachte ich für einen kurzen Moment, er sei
wieder der Alte. Mein Freund Benno. Weit gefehlt.
»Ja,
Benno, deine Ehe ist in der Tat zu Ende. Sophie ist tot.«
»Verdammte
Scheiße«, schrie Benno mit rotem Gesicht, »jetzt erzählst du mir solchen Mist,
nur um mich nach Weimar zurückzuholen, hör endlich auf damit!«
Ich sah
ihm in die Augen. »Es tut mir leid, aber Sophie ist wirklich tot. Damit macht
man keine Scherze. Sie wurde ermordet.«
Seine
Mimik erstarrte. Dann drehte er sich um und sah aus dem Fenster, die Hände fest
um den Griff geklammert. Wahrscheinlich wollte er vermeiden, dass ich sein
Gesicht sah.
»Ist
das wirklich wahr?«, flüsterte er.
»Ja, es
ist wahr.«
»Wer
war das?«, fragte er.
»Wir
wissen es nicht, Siggi ist dran, Richard auch, ich helfe den beiden. Sophie lag
im Krankenhaus. Ihr Mörder hat sie mit einer Medikamentenüberdosis getötet,
mehr wissen wir noch nicht.«
Er
nickte.
»Ich
möchte gern in Ruhe mit dir weiterreden«, sagte ich. »Können wir uns später
irgendwo treffen?«
Er
nickte erneut, sagte aber nichts.
»Im
›Kanonesteppel‹?« Etwas Besseres fiel mir nicht ein. Das ›Kanonesteppel‹ war
eine Apfelweinkneipe, vielleicht nicht das Beste für eine ernsthafte
Unterhaltung, aber relativ nah, in der Textorstraße, dort, wo ich bis vor
einigen Jahren eine Wohnung hatte.
»Gut.«
»Wann?«
»Ich
beeile mich. Geh schon mal hin.« Er starrte weiterhin aus dem Fenster. Ich
drehte mich wortlos um und verließ den Südbahnhof.
Ich saß seit etwa einer Stunde
im ›Kanonesteppel‹ und hatte bereits ein Rippchen mit Kraut gegessen, dazu zwei
Sauergespritzte getrunken, als Benno hereinkam. Hinter ihm erschien Herr
Bräunlich. Sie traten an meinen Tisch.
»Reicht
eine halbe Stunde?«, fragte Benno. Ich war sprachlos. »Also, was ist?«
»Nein,
eine halbe Stunde reicht nicht«, antwortete ich.
Benno
wandte sich an seinen Wahlkampfmanager. »Gut, dann eine dreiviertel Stunde, das
muss reichen.« Der Schönling nickte und verschwand. Benno hing seine Lederjacke
über die Stuhllehne und setzte sich. »Was trinkst du?«
»Apfelwein
mit Wasser«, antwortete ich.
»Nee,
euren komischen Apfelwein mag ich nicht.«
»Da
wirst du dich als Oberbürgermeister aber dran gewöhnen müssen.«
Er
zögerte. »Könnte sein, dann muss ich wohl mal probieren. Wie fängt man am
besten an?«
»Mit
Süßgespritztem, Apfelwein mit Limo.«
Der
Kellner sah uns entgeistert an. Süßgespritzter war in echten Apfelweinlokalen
als Weicheigetränk verpönt, das zudem den ursprünglichen Geschmack des
Apfelweins veränderte.
»Ist
schon okay, Rudi«, sagte ich, »der Mann kommt aus Thüringen,
Eingewöhnungsprogramm.« Rudi nickte wissend und schlurfte davon. »Wollen wir
unsere wertvolle Zeit mit Gesprächen über Apfelwein vergeuden?«, fragte ich.
»Nein«,
entgegnete er, »du wolltest doch etwas mit mir besprechen, also?«
»Nimmt
dich das gar nicht mit, die Nachricht von Sophies Tod?«
»Doch«,
sagte er und fuhr sich mit der Hand durch den Bart, »es hat mich sehr
geschockt. Ich habe das letzte Interview abgesagt und in der vergangenen Stunde
darüber nachgedacht. Aber was du nicht weißt: Wir hatten uns innerlich schon
sehr weit voneinander entfernt. Sie beharrte darauf, in Weimar zu bleiben, hat
mein Streben nach Neuem, nach Verwirklichung und Kreativität überhaupt nicht
verstanden, hat noch nicht einmal den kleinsten Funken Verständnis dafür
aufgebracht. Wenn ich es klar analysiere, ändert es nichts an meiner Lage,
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