Götter der Nacht
dem Publikum herauspicken. Davon können die Rominer gar nicht genug kriegen.«
»Nicht zu fassen, dass wir völlig umsonst in den Genuss Eurer Kunst kommen!«, spottete Grigán.
»Ich würde mir niemals anmaßen, von einem Meister wie Euch eine Bezahlung zu verlangen«, konterte Rey augenzwinkernd.
Der Krieger entfernte sich wortlos. Er war nicht sicher, in diesem Wortwechsel den Sieg davongetragen zu haben.
Die Erben hatten mit den Gauklern vereinbart, in ihrer Abwesenheit auf die Wagen aufzupassen. Trotzdem ließen die Schausteller einen ihrer Leute als Wache zurück, um die Erben im Auge zu behalten.
Natürlich waren Yan, Léti und Rey neugierig auf die Vorstellung. Sie wollten aber nicht allein gehen und überredeten schließlich Corenn und Bowbaq, sich ihnen anzuschließen. Zur Bewachung des Lagers blieben also nur Grigán und Lana, da sich die Priesterin nicht in die Gesellschaft der Rominer begeben wollte, die den Itharern feindlich gesinnt waren.
Grigán hatte ein ungutes Gefühl, als seine Freunde durch das Stadttor verschwanden. Am liebsten hätte er sie alle dazu verpflichtet, im Lager zu bleiben.
Jedes Mal, wenn sich die Erben trennten, passierte etwas Schreckliches. Warum sollte es diesmal anders kommen?
Begleitet von den munteren Klängen einer Vigola zogen die Gaukler in ihren Kostümen durch die Stadt, um Zuschauer anzulocken. Yan, Léti, Corenn, Rey und Bowbaq folgten der bunten Parade in einiger Entfernung. Sie verspürten zwar große Lust, sich dem fröhlichen Treiben anzuschließen, blieben dann aber doch im Hintergrund.
Jeder Artist zeigte eine Kostprobe seines Könnens. Den Anfang machten drei Kunstreiter, die auf fünf prachtvollen Schimmeln mit glänzendem Fell ritten. Wie Akrobaten turnten sie auf den Tieren herum, wechselten ihre Plätze, ohne einen Fuß auf den Boden zu setzen, oder balancierten stehend auf zwei Pferden, die nebeneinander hertrotteten.
Die Menge wich staunend vor dem Spektakel zurück und bildete ein Spalier für die übrigen Gaukler. Hinter den Kunstreitern kam Nakapan der Koloss, der sich mit diesem Ehrenplatz nicht nur sein Ansehen sicherte, sondern von dort auch seine zwei Töchter besser im Auge behalten konnte. Er beschränkte sich darauf, die Schaulustigen zur Vorstellung einzuladen, wenn Rey, der nur wenig Romisch sprach, ihn richtig verstand. Sein einziges Kunststück bestand darin, hin und wieder seine Muskeln spielen zu lassen und dabei in bestimmten Positionen zu verharren. Eurydis sei Dank bemerkte er nicht, dass Bowbaqs Erscheinung die Einheimischen weit mehr beeindruckte, obwohl der Arkarier seine Kraft nicht im Mindesten zur Schau stellte.
Hinter Nakapan folgte dessen Frau, die zwar eigentlich als Feuerschluckerin auftrat, zu diesem Anlass aber einer Klangvigola kunstvolle Melodien entlockte. Als Nächstes kam Cavale, der seine fünf hölzernen Jonglierbälle nach und nach durch Gegenstände ersetzte, die die beiden Zwerge unter dem Beifall des Publikums aus der Menge stibitzten. Dann gab der Lorelier den Bestohlenen das Diebesgut zurück und löste die Feuerschluckerin an der Vigola ab, die nun ihrerseits ihre Kunst darbot.
Dann kamen der alte Anaël und der Wolf Merbal, der für diesen Auftritt ein gefährlich aussehendes Stachelhalsband trug und so heftig an seiner Leine zerrte, dass sein als Raubtierjäger verkleideter Herr mit beiden Händen dagegenhalten musste. Um seine Rolle perfekt zu machen, knurrte der Wolf jeden an, der ihm zu nahe kam.
Hinter ihnen folgte einer der Spaßmacher, der sich genauso verhielt, wie Rey es ihnen geschildert hatte. Sein Kostüm war so auffällig mit Jeruskreuzen geschmückt, dass es
selbst einem Rominer übertrieben erscheinen musste. Die Verachtung der Uranier für die Jerusnier war allseits bekannt, und die Aufmachung des Mannes löste großes Gelächter aus, noch verstärkt durch seine Bemühungen, sich lächerlich zu machen: Er stolperte ständig über die eigenen Füße, kam dem Wolf in die Quere und spielte auch sonst den Einfaltspinsel.
Danach kam Tonk, der Affendompteur mit den grausamen Dressurmethoden. Er begnügte sich damit, die angeketteten Mausäffchen in die Menge zu hetzen und sie brutal zurückzureißen, wenn sie sich über die Gewänder eines Zuschauers hergemacht hatten. Das Opfer verlor dabei unweigerlich Knöpfe, Broschen oder sogar Haare, was die Umstehenden sehr erheiterte. Jetzt verstand Corenn, warum die Gaukler so großen Anklang fanden: Die Rominer waren
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