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Götter der Nacht

Titel: Götter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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alten, griesgrämigen, langweiligen Emaz den Bund geschlossen hat?«
    »Reyan … Rey … Ich bin Witwe«, erwiderte Lana offen. »Seit zwei Jahren.«
    »Das tut mir leid«, sagte Rey aufrichtig.
    Er fragte die Priesterin lieber nicht nach dieser Tragödie. Die Neuigkeit war entmutigend. Welche Chance hatte er schon gegen die Erinnerung an einen Verstorbenen?
    Lana bemerkte sein Unbehagen sofort. Sie wollte ihm keine falschen Hoffnungen machen, ertrug es aber auch nicht, ihn auf einmal so traurig zu sehen. »Rey«, sagte sie sanft. »Ihr habt mir im Tiefen Turm zweimal das Leben gerettet. Ich danke Euch für Euren Mut und Eure Umsicht, ohne die ich nicht mehr hier wäre. Ich werde für Euch beten.«
    »Gepriesen sei Eurydis«, schloss Rey bitter.
    An diesem Tag kam kein Scherz mehr über seine Lippen. Nachdem sie gegen Mit-Tag ihr Mahl eingenommen hatten, schwang sich Rey in den Sattel und überließ Corenn den Platz an Lanas Seite.
     
     
     
    Der Wagenzug machte noch vor Anbruch der Nacht in Dessin Halt, der letzten größeren Stadt vor der öden Wildnis des Klammen Tals. Grigán stellte missmutig fest, dass sie am ersten Tag ihrer Reise nicht sonderlich weit gekommen waren und bei dieser Geschwindigkeit allein bis Le Pont eine ganze Dekade brauchen würden. Doch die Gaukler lebten von ihren Aufführungen, und Dessin konnten sie auf keinen Fall auslassen.
    Die Stadt war zwar kleiner, sah aber ansonsten genauso
aus wie Romin: Von den Fassaden der hohen, bunt angestrichenen Häuser blickten die traditionellen uranischen Wappenadler auf ein Gewirr schäbiger Gassen herab. Einige argwöhnisch dreinblickende Einheimische in farbenfrohen Kleidern lungerten auf den Straßen herum wie verlorene Seelen. Dessin wirkte wie ein Vorort der Hauptstadt des Alten Landes. Yan fragte sich, wie die Gaukler nur davon leben konnten, dieses mürrische Völkchen zu unterhalten.
    Sie ließen die Fuhrwerke vor der Festungsmauer zurück, wie es die Gesetze der Stadt verlangten. Die Gaukler brauchten nicht lange, um ihr Lager aufzuschlagen, so vertraut waren ihnen diese tausendmal ausgeführten Handgriffe. Als die Essenszeit gekommen war, versammelte sich jede Familie zu ihrem eigenen Mahl, und die Erben taten es ihnen gleich. Nur Cavale und der Wolfsbändiger Anaël schlossen sich ihnen an und wurden freudig begrüßt.
    Da man im Matriarchat hin und wieder von Wölfen munkeln gehört hatte, behielt Yan das Tier, das Merbal gerufen wurde, misstrauisch im Auge. Dass es nach dem sagenumwobenen Räuber benannt war, der das Blut seiner Opfer trank, trug auch nicht gerade zu seiner Beruhigung bei. Doch er und seine Gefährten gewöhnten sich rasch an das alte Tier und gewannen es sogar lieb, so anhänglich zeigte es sich. Nur Léti musste es das eine oder andere Mal wegscheuchen, weil der Geruch ihrer noch neuen Lederkluft seine Raubtierinstinkte weckte.
    Auch ohne sich als Erjak zu betätigen, freundete sich Bowbaq sofort mit dem Wolf an. Dass er mit Tieren gut umgehen konnte, brauchte er den anderen längst nicht mehr zu beweisen. Gegen ein halbes Abendessen sicherte er sich Merbals ungeteilte Aufmerksamkeit.
    Yan versuchte seine Methode genau zu beobachten, aber
der Riese hatte keine, wenn man nicht gerade seine liebevolle Art und natürliche Ausstrahlung als Methode bezeichnete. Was ihm Bowbaq beibringen würde, war etwas ganz anderes: die Erweiterung seines Geistes. Er würde lernen müssen, so einfühlsam und behutsam wie Bowbaq zu sein, damit er in den Geist eines Tiers eindringen konnte, ohne es in Angst und Schrecken zu versetzen.
    Vielleicht war Bowbaq aber auch zu gutmütig und sprach nicht genug Itharisch, um auf einem so schwierigen Gebiet ein guter Lehrer zu sein, überlegte Yan. Sofort schämte er sich seiner Gedanken.
    Als der Koloss seine Truppe zusammentrommelte, verließen Cavale und Anaël die Erben, um sich auf die Aufführung vorzubereiten. Auf den Rat des Jongleurs hin schlug Nakapan Rey vor, sich ihnen anzuschließen.
    »Spaßmacher können wir immer gebrauchen«, sagte er linkisch. »Ich zahle einen halben Monarchen pro Abend. Wenn Ihr Interesse habt …«
    Rey lehnte das Angebot höflich ab, und der Mann drang nicht weiter in ihn. Doch ihr kurzes Gespräch war nicht unbemerkt geblieben.
    »Spaßmacher?«, fragte Léti. »Was macht man da?«
    »Nichts besonders Anspruchsvolles«, antwortete er. »Die Spaßmacher haben keine eigene Nummer. Sie albern nur herum und machen sich über ein paar arme Kerle lustig, die sie aus

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