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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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was aus Norma ›Für euch geb ich doch nicht den Cheerleader ab‹ Radcliffe geworden ist?«
    Ted schüttelte den Kopf, aber an seinem Gesichtsausdruck ließ sich ablesen, dass er sich sehr wohl an die stolze Collegeschönheit erinnerte.
    »Sie organisiert Schönheitswettbewerbe für Pudel in Palm Springs.«
    »Du nimmst mich auf den Arm!«
    »Nein, ich schwör’s dir. Tja, das erklärt natürlich einiges. Wir waren eben alle nicht ihr Typ.«
    »Zu wenig Locken«, stimmte Ted zu und prustete. »Trotzdem«, fuhr er fort, »sie hätte toll im Cheerleader-Dress ausgesehen.«
    »Frauen«, sagte Neil sinnierend. »Wie war eigentlich dein erstes Mal?«
    An der Lampe, die seine Küche beleuchtete, musste eine der beiden Glühbirnen ausgewechselt werden, aber Neil war in den letzten Tagen zu faul gewesen, sich darum zu kümmern. Im Schein der verbliebenen Birne und bei Teds grauer Hautfarbe war es schwer erkennbar, doch es schien ihm, dass Ted errötete.
    »Komm schon. Das weißt du garantiert noch. So was bleibt einem im Gedächtnis, ganz egal, wie mies man sich fühlt.«
    Er hielt sein Glas in der Hand, ohne daraus zu trinken, und betrachtete die braungoldene Flüssigkeit.
    Ted räusperte sich. »Du zuerst.«
    »Hm. Rosie Dulac. Sie zog mich später damit auf, dass ich mich nur in sie verknallt hätte, weil sie das einzige Mädchen in der Nachbarschaft war, das garantiert nicht mit mir verwandt war. Da lag sie falsch. Zwei Jahre älter als ich und nichts als Kurven und Grübchen. Vierzehn Grübchen insgesamt. Ich habe sie alle gezählt. Rote Haare; einer von den Dulacs muss mal eine Irin geheiratet haben.«
    »Bei mir war’s Betsy Triffest aus der Fünfunddreißigsten«, fiel Ted ein, der sein Zögern offenbar überwunden hatte. »Ein Hintern, auf dem man Nüsse knacken konnte.«
    »Ted Sandiman, du überraschst mich. Wir dachten doch alle, du wärest die einzige männliche Jungfrau auf dem College.«
    »Ich hab nur nicht so viel herumgeprahlt wie ihr anderen. Konnte ich auch nicht. Betsy war verheiratet, und ihr Typ trieb in unserer Gegend Schutzgelder ein.« Er grinste. »So hab ich Betsy überhaupt kennen gelernt. Meine Mom hat mich und meine kleine Schwester zu ihr geschickt, weil sie dachte, Betsy hat ein Herz für Kinder, die wird ihren Kerl vielleicht beschwatzen, bei unserer Imbissbude nicht ganz so gierig zu sein. Naja, und Betsy, die hatte schon ein Herz, aber nicht nur für Kinder.«
    »Rosie hatte da einen Trick«, sagte Neil, der merkte, wie Ted auftaute. »Sie nahm eine Kirsche mitsamt Kirschstängel in ihren Mund, und nach einer Weile schob sie den Stängel wieder hinaus. Mit einem Knoten.«
    »Beim ersten Mal war ich froh, dass ich direkt vom Sportplatz kam und meinen Baseballschläger dabeihatte. Ich hatte die ganze Zeit Angst, dass ihr Kerl aufkreuzt. Na ja - fast die ganze Zeit dachte ich daran. Okay, eigentlich nur die ersten Minuten.« Ted seufzte. »Mann, das waren gute Tage.«
    Irgendwo zwischen immer handfesteren Beschreibungen und Whiskey ließ sich Ted überreden, etwas anderes als Orangen zu essen, und dabei zeigte sich, dass er einige seiner Zähne verloren hatte. Neil bestellte beim Pizzaservice, und als er den Eindruck hatte, dass Ted beim Schwärmen über seine Verflossenen der verlorenen Ehefrau gefährlich nahe kam, lenkte er das Gespräch auf die legendärsten Spiele ihrer College-Zeit. »Wenn Ferguson damals nicht…«
    »Weißt du noch, wie du den Ball von Cady…«
    »Keine Frage, das wäre ein Homerun geworden, wenn…« Die Pizza traf ein, und während Neil noch den würzigen Geschmack der Salami über dem warmen Käse genoss, entdeckte er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Ted wurde übel, und er fing an zu würgen. Bald hing er über dem Toilettenrand und erbrach sich, obwohl er, soweit Neil erkennen konnte, kaum etwas Festes zu sich genommen hatte. Als er einen Lappen befeuchtete, um Ted das Gesicht abzuwischen, ergriff Ted seine Hand.
    »Neil«, sagte er. »Ich… ich kann hier nicht bleiben.« Dass Ted als Hausgast nicht die beste Idee war, die er je gehabt hatte, war Neil inzwischen schon klar geworden. Morgen würde er den größten Teil des Tages in den Universitätsgebäuden verbringen, und so ging es den ganzen Rest der Woche. Und es konnte sehr gut sein, dass sein alter Kamerad sich dann entschied, zu verschwinden und die Einrichtung um ein paar Gegenstände zu erleichtern.
    »Wenn ich bleibe«, fuhr Ted fort, als könne er Gedanken lesen, »dann brauchst du bald noch

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