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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Lächeln.
    »Sag mal, wie komme ich überhaupt in der letzten Zeit so oft zu der Ehre deiner Besuche? Ich dachte, wir wären uns einig, dass du hier nur in Notfällen vorbeischaust und wir uns sonst zur beiderseitigen Erleichterung aus dem Weg gehen? Aber seit ein paar Wochen kreuzt du alle drei Tage hier auf. Kannst du mir mal erklären, womit ich diese Aufmerksamkeit verdient habe?«
    Mears erhob sich und schaute auf sie herab, ein selbst für ihn durchsichtiges Manöver.
    »Ein guter Häuptling weiß immer, was seine Indianer tun«, entgegnete er ausdruckslos.
    »Dann geh zu deinem Volk, Geronimo, und lass das von Sitting Bull in Frieden.«
    Seine heftigen Schritte ließen die Sohlen seiner Schuhe auf dem Linoleumfußboden quietschen. An der Tür wandte er sich noch einmal um.
    »Dann such dir schon mal ein neues Reservat«, sagte er höhnisch. »Mr. President hat endlich begriffen, dass die beiden Bereiche aus Sicherheitsgründen getrennt werden müssen, und es mir überlassen zu entscheiden, was in diesem Labor nützlich ist und was nicht. Du ziehst in ein paar Wochen aus, mein Kind.«
    Nach diesem letzten Pfeil verschwand er. Es kostete sie beträchtliche Willensanstrengung, um ihm nicht wenigstens ihren Becher mit den Bleistiften nachzuwerfen.
    Natürlich glaubte sie ihm nicht. Er bluffte; er musste einfach bluffen. Das Labor war ihre Heimat, und sie hatte sich ihre Anwesenheit hier verdient. Es war nichts als eine Drohung, sagte Beatrice sich, doch das half ihr nicht dabei, sich wieder zu beruhigen.
    Es kostete sie sehr viel Disziplin, ihr Experiment zu beenden. Danach speicherte sie die Ergebnisse und ging online. Ihre Finger zitterten noch vor Wut, und sie vertippte sich ein paar Mal, während sie die Versuchung niederkämpfte, sich in die Personalakten einzuhacken, um nachzuschauen, ob Mears sie tatsächlich versetzen lassen konnte. Stattdessen schaute sie nach, was sich in den Chaträumen tat. Sie hatte Glück und fand nicht nur Dedalus und Sabrecat, sondern auch den Chatter, der schon wieder unter Neil LaHaye eingeloggt war.
    ‹He, Morgan›, schrieb Dedalus, ‹erklär unserem Gast doch, warum Industriespionage in der Medizin sinnlos ist.›
    ‹Bitte einen x-beliebigen Mediziner, dir sein Notizbuch zu zeigen, und du verstehst es›, tippte sie. ‹Wir schreiben in einem solchen Wirrwarr von höchstpersönlichen Abkürzungen, Gedankensprüngen und schlechter Schrift, dass wir Glück haben, wenn wir es selbst wieder entziffern können. Ein Außenstehender müsste da schon Jahre mit dem entsprechenden Forscher gearbeitet haben, um bei der Entschlüsselung solcher Hieroglyphen Glück zu haben. Außerdem sind 98% aller Forschung Misserfolge. Es ist Arbeit, Arbeit, Arbeit und wahnsinnig viel Frustration - nur davon bekommt die Öffentlichkeit nichts mit.›
    Einiges verschwieg sie. Industriespionage bedeutete heute in erster Linie Abwerbung von profilierten Wissenschaftlern, den kontrollierten Einsatz von Computerhackern und Abhörversuche an allen Ecken und Enden. Nicht zuletzt deswegen gab es das Labor in Alaska überhaupt. Das Verhältnis von erfolgreichen und erfolglosen Experimenten entsprach der Wahrheit. Vielleicht war es das, was sie an Mears’ Besuch immer noch verstörte. Sie begriff nicht, wie ein Mann von Mears’ Intelligenz so wenig Gedanken an die Menschen verschwendete, für die sie alle doch letztendlich forschten. Aber es gibt noch Behörden, sagte sie sich. Wir sind nicht die letzte Instanz zur Freigabe von Wirkstoffen, keiner von uns.
    Aber hatten das die Physiker in Neil LaHayes Buch nicht auch gedacht?
    ‹Ich versuche noch immer zu verstehen, was Victor Sanchez zu seinem Verschwinden getrieben haben könnte›, erschienen die Buchstaben in dem Blau, das diesmal vom System an Neil LaHaye verliehen worden war. ‹Möglicherweise geht es hier um Industriespionage. Außerdem liest man so viel von gefälschten Forschungsergebnissen, nur, um an Gelder zu kommen. Das wäre ein weiteres Motiv. Kann es sein, dass sich seine frühe Reputation auf anderer Leute Arbeit stützte?›
    Sie war immer noch verstört wegen des Gespräches mit Warren Mears. Wenn diese Unterstellung nicht das Fass aus Ärger, Unruhe und unausgegorenen Überlegungen zum Überlaufen gebracht hätte, dann wäre Beatrice sicher selbstbeherrschter gewesen und hätte über die Folgen nachgedacht, bevor sie handelte. Stattdessen flogen ihre Finger, und die sofortige Übertragung ihrer Entgegnung sprang ihr auf dem Bildschirm

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