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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Tess gegenüber, er wolle sie wohl bei der Verschwendung von Laborgeldern ertappen, doch in Wahrheit argwöhnte sie, dass er lediglich unberechenbar sein wollte. Seit der Sache mit dem Biochip hatte sie eine enorme Handlungsfreiheit, und bei seiner Einstellung zu allem, was Sanchez hieß, konnte ihm das nicht gefallen.
    Als er in der dritten Märzwoche mitten in einer ihrer Beobachtungen, die sich bis spät in den Abend hineingezogen hatten, aufkreuzte und sich über ihre Schulter beugte, ohne auch nur guten Tag zu sagen, war sie daher nicht überrascht.
    »Schon wieder am Lichtmikroskop«, sagte er und schaute auf das im Vergleich zu der übrigen Laborausrüstung unmodern wirkende Gerät, das sie mit zwei Bildschirmen gekoppelt hatte.
    »Warum nimmst du nicht das Elektronenmikroskop für deine Versuche? Du hast dort fast die doppelte Vergrößerung, und es spart Zeit.«
    »Du störst«, sagte sie abwesend und fügte als Nachgedanken hinzu, »und ich kann mich nicht erinnern, dich um einen Ratschlag wegen meiner Arbeitsmethoden gebeten zu haben.«
    »Die Stimme der Tochter, die Worte des Vaters. Ich frage mich, ob du je eigener Gedanken fähig sein wirst, Beatrice.«
    »Wenn mein Vater und ich uns ähnlich anhören«, entgegnete sie kühl, »dann, weil er mir beigebracht hat, objektiv an Probleme heranzugehen und sie von allen Seiten zu betrachten. Du solltest das auch mal versuchen, Warren. Es könnte zu überraschenden Ergebnissen führen.«
    Er machte keine Anstalten, sich von ihrer Animosität vertreiben zu lassen, sondern nahm sich einen Hocker und setzte sich neben sie.
    »Du willst doch nicht behaupten, das Ding da würde dir mehr helfen als unsere Elektronenmikroskope.«
    Sie seufzte. »Wenn du mir versprichst, mich danach in Ruhe zu lassen, zeige ich dir, warum ich das glaube.«
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Schau dir einfach nur diese beiden Filme an.«
    Mit einem leichten Druck auf zwei Tasten kehrte sie zum Anfang der DVD zurück und startete die Filme erneut. Mears kniff die Augen zusammen und beobachtete die Monitore, die neben den Bildern auch einen laufenden Text zeigten.
    »Du beschäftigst dich also mit Karzinomen. Ich dachte, du bist dabei, die neue Generation von Proteinchips in die Welt zu setzen. Ist wohl nicht so leicht wie das letzte Mal, wo Miss Wunderkind nur anderer Leute Ideen aufgreifen musste.«
    »Wenn es nichts als anderer Leute Ideen gewesen wären«, entgegnete Beatrice scharf, »dann würden die DNA-Chips von Livion wohl nicht zu den gewinnträchtigsten des Diagnostik-Bereichs gehören, oder habe ich Mr. President’s Memo darüber falsch verstanden?«
    Gönnerhaft klopfte Mears ihr auf die Schulter. »Schon gut«, sagte er. »Nützliches kleines Ding, dein Chip.«
    Sie dachte an all die Arbeit, die sie in die Entwicklung gesteckt hatte, und wünschte, sie könnte ihm seine herablassenden Worte in den Hals zurückstopfen. Mehr Geduld, mahnte sie sich innerlich. Mears schaffte es immer wieder, sie zu provozieren, und allmählich sollte sie es wirklich besser wissen.
    »Wenn es dich nicht interessiert«, begann sie und beugte sich vor, um die Aufzeichnung auszuschalten, doch er hielt ihren Arm fest.
    »Nein, mach weiter. Ich lerne immer gerne dazu. Sogar von kleinen Marionetten.«
    »Zu gütig«, murmelte sie. Sie musste gegen den wieder aufsteigenden Ärger kämpfen, denn letztlich war sie gespannt, wann und ob Mears begreifen würde, worauf sie hinauswollte. Mears war nicht dumm, ganz und gar nicht. Engstirnig und rücksichtslos und unbestreitbar der beste Kopf hier nach ihrem Vater.
    Mears musterte die Bilder, die mit der gleichen Ausgangslage begannen und dann immer deutlicher auseinander liefen.
    »Was soll das? Du verwendest da offensichtlich zwei identische Karzmomzellen und laut dem Text je drei Einheiten mit AC3000. Die Bilder zeigen aber deutlich unterschiedliche Entwicklungen.«
    »Deswegen das Lichtmikroskop«, sagte Beatrice zufrieden. »Hier kann ich online und in Originalfarben zusehen, wie die Wirkstoffe auf die Zellen reagieren, ob sie reagieren oder ob sie versagen.«
    »Dann stimmt etwas mit deiner Versuchsanordnung nicht«, erklärte Mears irritiert. »Bei identischen Zellen müssen die gleichen Reaktionen eintreten.«
    »Die Zellen sind nicht identisch«, entgegnete sie und versuchte nicht zu offen darüber zu triumphieren, dass Mears das nicht gemerkt hatte. Hier ging es um Wichtigeres als um einen so kleinen Sieg. »Sie stammen von eineiigen Zwillingen, die beide

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