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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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reagierte als Jane Doe in San Francisco. Er hatte von neuen Prioritäten gesprochen. Ein Teil von ihr sehnte sich danach, all diese Daten einzusehen. Nicht mehr nur auf Laborsimulationen angewiesen zu sein. Der andere Teil schlug Alarm.
    »Warren, diese Idee klingt faszinierend, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass unseren Bürgern bewusst ist, was mit ihren Daten geschieht, und dass jeder Wissenschaftler problemlos an alle diese Unterlagen kommt. Ich meine, Wissenschaftler kann doch jede größere Firma bieten, und wenn jeder Einblick in die medizinische Akte eines anderen nehmen kann, sind wir doch beim gläsernen Menschen angekommen. Leute, die zweimal mehr Schnupfen im Jahr bekommen als der Durchschnitt, würden keinen Job mehr kriegen, nicht nur solche mit AIDS. Irgendwie ist das für mich ein Horrorszenario. Was ist, wenn Entscheidungen dann einmal aufgrund falscher Informationen ausgelöst werden?«
    Heftig setzte er seine Kaffeetasse ab.
    »Denk bitte daran, dass es dir um die Gesundheit all dieser Menschen geht und nicht um irgendwelche Risiken aus dem Datenschutz.«
    Die Forscherin in ihr wehrte sich dagegen, das Projekt in Frage zu stellen, und sie suchte verzweifelt nach einem neuen Ansatz, nach einem Kompromiss. Das konnte es doch nicht gewesen sein.
    »Warren«, entgegnete Beatrice, »solange die Patienten, die diese Daten liefern, wissen, was damit passiert, geht das in Ordnung, und ich sehe durchaus die Vorteile. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mehrheit wirklich bereit ist, ihre privaten Daten sämtlichen interessierten Parteien zur Verfugung zu stellen.«
    Seine abwehrende Handbewegung verlief ins Leere.
    »Die Daten sind bereits da«, sagte er. »Sehr viele jedenfalls. Die Aufgabe jetzt muss sein, sie gezielt auf ihre individuellen DNA-Merkmale auszuwerten.«
    »Und worauf sollen solche Auswertungen, ich meine, außer für unsere Chips, sonst noch hinauslaufen? Wir haben es doch mit ganz normalen Menschen zu tun, nicht mit Kriminellen. Mit solch einer Datei wäre jeder identifizierbar, selbst wenn man uns nur einen Pappbecher übergibt, aus dem er irgendwann mal getrunken hat.«
    »Auf Schutz natürlich«, erwiderte Mears und sein Lächeln vertiefte sich. Er musste wissen, wie interessiert sie war, und hielt ihre Skepsis mutmaßlich nur für Ziererei. »Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Wir sind im Krieg. Dieser Krieg wird von unseren Gegnern mit neuen Waffen geführt. Das Szenario ist dir bekannt: Mit Pocken infizierte Selbstmordattentäter reisen durch das Land. Vor einigen Jahren gab es ein Programm mit der Bezeichnung Dark Winter. Dabei wurde vorausgesetzt, dass in drei Städten unseres Landes gleichzeitig je ein Mensch von Pockenviren infiziert wurde. Wie gut bist du in Geschichte?«
    Die Frage kam abrupt und unerwartet, aber Beatrice hatte nicht die Absicht, sich aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen oder Mears eine Entschuldigung zu liefern, sie wieder wie ein unwissendes Etwas zu behandeln, nicht jetzt.
    »Pockenviren werden durch Tröpfcheninfektion übertragen«, antwortete sie und kam sich vor wie eine Schülerin. Das ist eine Diskussion unter Gleichrangigen, kein Examen, sagte sie sich, versuchte nur sachlich zu klingen und fuhr fort: »Sogar Gegenstände, die ein Infizierter angefasst hat, sind hochinfektiös, und jeder Kranke kann innerhalb kürzester Zeit Dutzende andere Menschen anstecken.«
    Mears nickte vehement.
    »Genau. Die simulierte Epidemie geriet bereits nach wenigen Tagen außer Kontrolle. Nach nur zwei Wochen hatten sich die Pocken in über fünfundzwanzig Bundesstaaten ausgebreitet und in weiteren zehn Ländern außerhalb unseres Landes. Computersimulationen sind doch dein Territorium, du kannst das gerne überprüfen. Und du weißt: Gegen genmanipulierte Pockenviren gibt es kein erprobtes Heilmittel. Dreißig bis vierzig Prozent der Fälle verlaufen tödlich. Wir müssten in nur fünf Tagen die ganze Bevölkerung impfen, um das Schlimmste zu verhindern. Jede Minute würde zählen. Mit einer zentralen und gut durchorganisierten Datenbank, die mit den Datenbanken von Kreditkarten-Organisationen, Autoverleihern, Hotelketten und den Wählerlisten vernetzt ist, würden wir sämtliche Informationen über die Aufenthaltsorte und verwendeten Transportmittel so schnell verarbeiten, dass der Attentäter und seine Mittäter gefasst würden, ehe sie in der Bevölkerung eine Seuche verbreiten könnten. Die Leute, die infiziert waren, würden auf diese Weise

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