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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Allerheiligstes zu gelangen, musste ihre Karte von ihm freigegeben werden. Sie hörte das leichte Klicken an der Kontrolle und fragte sich, was er mit dieser zusätzlichen Maßnahme beweisen wollte. Als sie sein Büro betrat, blieb sie bereits an der Schwelle stehen. Ein Dachfenster, das normalerweise geschlossen und mit einer Klappe bedeckt war, war heute geöffnet. Das Tageslicht fiel hindurch und zeichnete ein helles Viereck auf den grünlichen, linoleumbedeckten Fußboden. Mit der Mischung aus Panik und Resignation, die der Anblick der Sonne immer in ihr auslöste, starrte sie darauf und hütete sich, näher zu treten, obwohl sie noch mindestens zwei Schritte vom Rand des natürlichen Lichts trennten.
    »Oh, entschuldige«, sagte Mears, drückte auf einen Knopf, und das Dachfenster verdunkelte und verriegelte sich sofort. »Es ist nur ein so schöner Tag heute. Ich hoffe wirklich, dass ich bald wieder auf mein Segelboot komme.«
    Da Beatrice das Gespräch nicht mit offenem Misstrauen darüber beginnen wollte, ob das alles Teil eines inszenierten Schauspiels war oder nur Mears’ Versuch, ein Gespräch ohne Vorbelastung zu beginnen, kommentierte sie diese Bemerkung nicht.
    »Worum geht es bei dem Projekt, für das du mich brauchst?«, fragte sie ihn geradeheraus.
    »Ich brauche dich nicht daran zu erinnern, dass alles, was ich jetzt sage, eine Sache zwischen uns beiden ist«, entgegnete Mears, und sie nickte. Er machte eine einladende Geste, und sie setzte sich auf den Gesundheitsstuhl, den er hin und wieder nutzte, um seinen Rücken zu entlasten.
    »Es betrifft das, was du mir neulich über die möglichen Chancen der neuen Biochip-Generation gesagt hast. Den Chip, der den Ärzten die Chance geben sollte, Wirkstoffe im Vorhinein auf ihre Eignung für die Patienten zu testen. Darüber, und über gewisse Schlussfolgerungen, die sich daraus ergeben, möchte ich mit dir sprechen.«
    Beatrice verzog keine Miene, doch sie spürte, wie sich ihr Pulsschlag beschleunigte. Was sie da von Mears hörte, war zu schön, um wahr zu sein. Sie hoffte nur, dass es sich nicht um Mears’ Vorstellung von einem Scherz handelte. War es wirklich möglich, dass er sie zum ersten Mal bei einem Projekt unterstützen wollte? Seine Fähigkeiten als Biochemiker standen außer Frage, das konnte das Projekt um Jahre beschleunigen, darüber war sie sich im Klaren.
    »Und woran denkst du hier speziell?«
    »Du brauchst eine Menge Daten, die individuellen Werte der Patienten zusammen mit Alter, Gewicht, Geschlecht und vielleicht den wichtigsten DNA-Strukturen, um eine gute Grundlage für diese Chips zu haben, wenn ich dich richtig verstehe.«
    »Natürlich, dann haben wir die idealen Voraussetzungen, um jedes Produkt vorher auf seine Wirksamkeit zu testen und gegebenenfalls den Bedürfnissen des Patienten anzupassen.«
    »Siehst du, ich will dir da entgegenkommen. Wir forschen hier nicht nach Peanuts, Beatrice, es lohnt sich, im großen Stil zu planen. Wenn du einverstanden bist, erhältst du den Auftrag, ein Programm zu entwickeln, das für uns herausfindet, welche Bereiche der DNA-Strukturen für bestimmte Krankheiten relevant sind und wo wir hier zuerst ansetzen müssten, um die wichtigsten Probleme zu erfassen und damit die Testfelder der Chips entsprechend zu bestücken. Und ich verschaffe dir Zugang zu den Grundlagen.«
    Ihr kam es vor, als sei ihr unvermutet da, wo sie immer nur Tiefgefrorenes erwartete, ein Festmahl serviert worden. Das konnte nicht sein; das bedeutete keinen Kampf um Budgets zwischen den Abteilungen mehr und genau die Art von Unterstützung, die sie sich insgeheim immer von ihm gewünscht hatte. Ungläubige Freude stieg in ihr auf. Ihr stand die Welt offen, sie würde gemeinsam mit den besten Männern der Medizinforschung Spuren hinterlassen und teilhaben an Entwicklungen, die Meilensteine in der Forschung setzen konnten.
    Sie hatte sich selten so lebendig gefühlt wie in diesem Moment. Das alte Misstrauen Warren Mears gegenüber teilte ihr mit, dass sich Mr. Hyde etwas zu schnell in Dr. Jekyll verwandelt hatte, aber die Chancen, die sich boten, die Möglichkeiten, die sie auf einmal sah, waren unendlich verführerisch. Sie drängten sich vor und sprudelten aus ihr heraus.
    »Warren, du versprichst mir da eine Menge Daten, Daten und noch mal Daten. Wo sollen wir die alle so schnell herbekommen?«
    Er lächelte sie an, nicht herablassend, wie er es sonst immer tat, sondern kollegial. Vielleicht hatte sie sich seine

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