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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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die Terroristen zu sein, brauchen wir neue Waffen.
    Sie setzte sich an den Schreibtisch mit der großen Platte aus Birkenholz, den ihr Frank, der früher Schreiner gewesen war, selbst gezimmert hatte. Ihre Finger glitten unruhig über die vertrauten Muster der Holzmaserung, dann zu ihrem Laptop, der im Gegensatz zu dem Computer an ihrem Arbeitsplatz nicht Teil des laboreigenen Netzes war.
    Ihre Hände waren sehr kalt, obwohl das Heizungssystem in dem Gebäude funktionierte. Was sie plante, war ein Vertrauensbruch ersten Grades. Aber es gab auch etwas wie zu viel Vertrauen, vor allem, wenn ein alter Feind einem die Welt auf einem silbernen Tablett anbot und selbst erklärte, das Denken über die Konsequenzen Politikern zu überlassen.
    Sie hatte selbst an jedem Update der Sicherheitssysteme für die Computer in den letzten Jahren mitgewirkt. Es bereitete ihr keine Schwierigkeiten, die Schutzwälle zu umgehen. In ihrem Nacken hatte sie ein ziehendes Gefühl, als beobachtete sie jemand, was natürlich absurd war. In den Wohnungen gab es keine installierten Kameras. Und selbst wenn, dachte sie, während ihre Fingerspitzen in der gewohnten Geschwindigkeit über die Tasten glitten, dann würden sie nichts weiter sehen als das alltägliche Bild von Beatrice Sanchez am Computer.
    Beatrice wollte sich gerade in die Verwaltungssysteme einhacken, als das Telefon läutete. Unwillkürlich fuhr sie zusammen. Ihre Finger kamen ihr so taub vor, dass ihr der Hörer beinahe aus der Hand glitt, als sie abnahm.
    »Beatrice«, sagte Mears’ Stimme, »ich hoffe, dir ist klar, dass mein Angebot nicht unbegrenzt lang steht. Du bist nicht schlecht, aber es gibt eine Menge anderer talentierter Wissenschaftler, die froh und dankbar für diese Chance wären.«
    Sie hatte Mühe, seine ersten Worte zu verstehen; ihr Pulsschlag beschleunigte sich mit der plötzlichen Gewissheit, entdeckt worden zu sein. Der Rest seiner Aussage war eine absurde Beruhigung. Es war nur ein Versuch, Druck zu machen. Mehr nicht.
    »Wenn ich dein Angebot nicht mehr als ernst nähme, Warren«, erwiderte sie, »würde ich nicht darüber nachdenken.«
    »Solange du deine Zeit sinnvoll verwendest. Dieser Tage«, schloss er bedeutungsvoll, »weiß keiner, wie viel er davon noch hat.«
    Das Freizeichen tönte in ihrem Ohr, und sie legte langsam wieder auf. Es war ein Zufall, dass er gerade jetzt angerufen hatte. Es konnte nichts als ein Zufall gewesen sein.
    Mit einer Mischung aus Dringlichkeit und schlechtem Gewissen hackte sie sich in das Verwaltungssystem ein und ging zuerst Mears’ persönliche Datenbank und dann seine Personalakte durch.
    Einige seiner Projekte, die nicht unter der höchsten Geheimhaltungsstufe standen, kannte sie schon, dank der allwöchentlichen Besprechungen. In seinen Akten einen weiteren Antrag zu finden, die Hauptleitung des Labors zugesprochen zu bekommen, war keine Überraschung, doch da die bestätigende Erwiderung fehlte, wusste sie immerhin, dass er bluffte, wenn er vorgab, sie versetzen zu können. Dann stieß sie auf Berechnungen, die eine Quelle außerhalb des Labors für ihn erledigte, und runzelte die Stirn. Trotz Mears’ Bemerkung eben hinsichtlich anderer Wissenschaftler war sie davon überzeugt, dass es nicht viele Rechner- und Computerexperten gab, die ihr auf ihrem Gebiet ebenbürtig waren, und was sie da las, sah nach einer sehr komplexen Herausforderung aus.
    Sie las weiter, und die Zeit schien zum Stillstand zu kommen. Sie begriff.
    Jetzt nicht in Panik geraten, befahl sie sich. Mach nichts Dummes. Mach nichts falsch. Das ist zu wichtig, um jetzt einen Fehler zu machen.
    Erst als sie sich mit dem Handrücken über die Stirn fuhr, spürte sie, dass ihre Haut mit Schweißperlen bedeckt war.
    Beatrice kopierte die fraglichen Dateien, verwischte ihre Spuren mit allen Tricks, die sie je gelernt hatte. Dann zwang sie sich aufzustehen. Ihre Knie zitterten. Sie trank einen Eistee, um sich zu beruhigen, bis ihr der Spiegel im Badezimmer verriet, dass man ihr ihre Gefühle nicht mehr ansehen konnte.
    Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Aus offensichtlichen Gründen hatte man ihr eine Wohnung gegeben, die keine Fenster besaß, also konnte sie sich nicht einfach schnell durch einen Blick nach draußen überzeugen, aber eigentlich musste die Sonne seit einer halben Stunde untergegangen sein.
    Ihre eigene Stimme kam ihr fremd vor, als sie zum Telefon griff und ihren Vater anwählte.
    »Dad«, sagte sie, »machst du heute Nacht einen Spaziergang

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