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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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anrufen. Neil hatte auch die Nummer ihres Handys. Um nicht an den Nägeln zu kauen und etwas für ihre Linie zu tun, schwamm sie einige Runden in der Schwimmhalle, die den Mitarbeitern zur Verfügung stand, und war gerade dabei, das Gefühl des angenehm warmen Wassers auf ihrer Haut zu genießen, als sie Mears’ Stimme hörte, die ihren Namen rief. Sie hielt inne, sah ihn hinter dem Ein-Meter-Sprungbrett stehen und schwamm zum Beckenrand. Er trug keinen Laborkittel, war jedoch vollständig angekleidet und offensichtlich nicht zum Schwimmen hier. Zum Glück, dachte Beatrice. Warren Mears in Badehosen war für sie eine zu bizarre Vorstellung.
    »Man nennt es Freizeit, Warren«, sagte sie laut. »Wenn du Probleme mit deinem Rechner haben solltest, helfe ich dir gerne. Nach dem Schwimmen.«
    Er schaute zu ihr hinab. Ihre Augen brannten ein wenig von dem Chlor im Wasser, und ein, zwei Sekunden lang verschwamm der Umriss seines Kopfes, bis sie das Wasser wegblinzelte.
    »Das ist eines deiner Probleme«, erwiderte er. »Mangelnder Ehrgeiz. Wenn man an die Spitze will, dann gibt es kein ›Geht gerade nicht‹.«
    »Wer sagt denn, dass ich an die Spitze will?«, fragte sie freundlich. »Weißt du, je länger ich darüber nachdenke, desto mehr misstraue ich diesem Ehrgeiz-Ehrgeiz-Ehrgeiz, Erfolg-Erfolg-Erfolg-Credo. Du und mein Vater, ihr seid die Spitze, aber es kommt mir nicht so vor, als ob ihr dadurch mehr vom Leben hättet als Tess zum Beispiel oder Louis und Frank. Man könnte sogar behaupten, dass Tess besser dran ist. Sie kann mal ein paar Tage freinehmen, um beim Wettrennen der Hundeschlitten mitzumachen, ohne dass gleich ein Memo von Mr. President eintrifft.«
    Sie löste sich vom Beckenrand und kreiste mit den Armen, um sich über Wasser und an der gleichen Stelle zu halten, als sie hinzusetzte: »Und ich wette, du hattest in den letzten Jahren kein einziges Mal so viel Spaß wie vor zwei Wochen Frank, als seine Söhne ihn mit einer Stripperin in der Geburtstagstorte überraschten. Sonst würdest du mir nämlich nicht bis ins Schwimmbad nachschleichen.«
    Damit wandte sie ihm den Rücken zu und schwamm betont unbekümmert davon. So war es unmöglich, festzustellen, wie er reagierte und ob ihre Bemerkung ins Schwarze getroffen hatte, aber es kam ihr auf das Prinzip an. Als sie am flachen Ende des Beckens angelangt war, stehen blieb und sich umdrehte, stellte sie mit einem gewissen Triumph fest, dass er verschwunden war. Ihre Erleichterung währte nur einen Herzschlag lang. Mit dem nächsten packte sie blinde Panik, als von hinten eine Hand ihren nassen Haarzopf griff. Ihr Kopf wurde nach hinten gerissen, und Blut schoss ihr in die Augen.
    »Wenn wir schon über unangemessene Beobachtungen sprechen, Miss Sanchez, wie wäre es dann mit einer kleinen Plauderei über nicht autorisierte Einblicke in meine private Datenbank?«
    Sie stand still, ohne sich zu rühren. An diesem Ende des Beckens lief das darauf hinaus, dass sich ihr gesamter Oberkörper über Wasser befand. Obwohl die Luft des Schwimmbads immer etwas über der Wassertemperatur lag, zogen sich ihre Poren zu einer Gänsehaut zusammen.
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, entgegnete sie.
    »Hm. Dann ist es gewiss ein Zufall, dass dein fabelhaftes neues Programm automatisch Kopien meiner Berechnungen an dich weiterleitet.«
    Verdammt, verdammt, verdammt, dachte Beatrice. Sie wusste nicht, was sie mehr in Verlegenheit brachte: erwischt worden zu sein, von Mears erwischt worden zu sein oder Mears unnötig provoziert zu haben, wo es doch um Wichtigeres ging als darum, kleine Seitenhiebe auszuteilen.
    Dann fiel ihr etwas auf. Obwohl sie doch diejenige war, die etwas Verbotenes getan hatte, war er offenbar nicht auf den nahe liegenden Gedanken gekommen, sich offiziell über sie zu beschweren und damit auch ihren Vater in Verdacht zu bringen, sie zu der Tat ermutigt zu haben. Er hätte sie vor allen Mitarbeitern im Labor zur Schnecke machen können. Mehr noch, er hätte versuchen können, ihr deswegen zu kündigen, mit Kopie an Armstrong.
    Stattdessen tauchte er an einem Wochenende auf zu einem Zeitpunkt, an dem er sicher war, dass er sie alleine vorfinden würde, um sie mit seiner Entdeckung zu konfrontieren, während sie klatschnass in einem Badeanzug vor ihm stand.
    »Das ist also deine Antwort auf mein Angebot, beim Schutz unseres Landes mitzuhelfen«, sagte er, ohne sie loszulassen. Sie verbot sich, Schuldgefühle zu empfinden.
    »Und ich dachte, du

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