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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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hättest Eigeninitiative gemeint, als du gesagt hast, ihr hättet alle mehr von mir erwartet«, sagte sie so gelassen wie möglich. »Bekomme ich keine Pluspunkte für mein Interesse an deinen Zielen? Ich wollte einfach mehr darüber wissen, bevor ich mich darauf einlasse.«
    Wenn sie die Situation richtig interpretierte, würde Mears nicht auf die Idee kommen, sie könne ernsthafte Einwände gegen seine Experimente haben. Warum auch? In Mears’ Universum war Mears immer im Recht, und Menschen mit anderen Ansichten teilten sich in Idioten auf, die seine Visionen nicht verstanden, und Gegner, die sie zwar verstanden, aber aus Rivalitätsgründen dagegen waren. Gegner wiederum unterteilten sich für ihn offenbar in männlich und weiblich, denn sie glaubte nicht, dass er ihren Vater im Schwimmbad so überfallen hätte. Nein, er betrachtete sie gewiss als jemanden, der ihm nur um der Hausforderung willen nachgespürt hatte, und ihre Antwort sollte ihn in dieser Ansicht bestätigen.
    Sie durfte ihn nicht unterschätzen. Das wäre gefährlich. Er war nicht weniger intelligent als ihr Vater, nur eben anders.
    Wie hatte er ihre Überwachungsprogramme bemerken können? Sie kannte sich mit dem Sicherheitssystem aus, wesentlich besser als Mears oder sonst irgendjemand im Labor, sie hatte die besten Hackerprogramme studiert, noch ein paar eigene Tricks hinzugefügt, und sie war nicht nachlässig beim Verwischen ihrer Spuren gewesen, das wusste sie. Mears musste Computerexperten außerhalb des Laborkomplexes mit einer zusätzlichen Sicherheitsüberwachung beauftragt haben. Oder, und der Gedanke verstörte sie mehr als Mears’ plötzliches Auftauchen, Mears’ Verbindungen zum Pentagon waren auch für die externe Kontrolle von Mitarbeitern dieses Hauses gut.
    Mears ließ endlich ihr Haar los, und sie rieb sich den schmerzenden Nacken, während sie sich zu ihm umdrehte. Er verschränkte die Arme, sagte jedoch nichts. Beatrice wusste nicht, was sie als Nächstes tun sollte, als das Handy, das sie neben ihrem Handtuch auf der Bank abgelegt hatte, klingelte. Ohne Mears aus den Augen zu lassen, kletterte sie hastig aus dem Becken, ging zur Bank, trocknete ihre rechte Hand ab und presste den Empfangsknopf des Telefons.
    »Ich habe ihn getroffen«, sagte ihr Vater kurz angebunden. »Gott bewahre mich vor Journalisten, die sich mit Rettern der Menschheit verwechseln. Du wirst jeden Kontakt zu ihm abbrechen, verstehst du? Auf seine Art ist er genauso schlimm wie Warren. Beide haben keine Ahnung, was für Schaden sie anrichten können, und wollen es auch gar nicht wissen.«
    Sie versuchte, die Enttäuschung zu unterdrücken, die in ihr aufstieg. Beatrice hatte nicht wirklich geglaubt, dass ihr Vater und Neil auf Anhieb Freundschaft schließen würden, aber ein solch hartes Urteil hatte sie auch nicht erwartet. Außerdem verletzte sie der schroffe Ton ihres Vaters; warum verhielt er sich so seltsam? Aber das Thema Neil LaHaye konnte warten.
    »Apropos Warren«, sagte sie und stellte fest, dass Mears leicht zusammenzuckte.
    »Was ist mit ihm?«, fragte ihr Vater irritiert. Beatrice wandte sich zu Mears:
    »Ich glaube, er will mit dir sprechen«, sagte sie laut. Mears hob abwehrend die Hand. »Nein, doch nicht«, fügte sie hinzu und lächelte ihn an.
    »Bist du gerade mit Warren zusammen? Das gefällt mir nicht, Bea. Seit wann spricht er denn außerhalb der Laborzeit mit dir?«
    »Ja, mir auch nicht. Das macht er seit einiger Zeit schon«, entgegnete sie und beobachtete Mears dabei, wie er mit verschlossenem Gesicht aus der Schwimmhalle stapfte.
    »Darüber sprechen wir morgen Abend, wenn ich wieder da bin«, verkündete ihr Vater und legte auf. Beatrice ließ das Handy auf die Bank sinken und spürte Wut in sich aufsteigen. Sie erinnerte sich daran, wie ihr Tess zum ersten Mal Popcorn zum Selbstaufbacken mitgebracht hatte, wie sie auf die knallenden, platzenden Geräusche aus der Mikrowelle lauschte. Das Gefühl, das sich in ihr ausbreitete, besaß damit durchaus Ähnlichkeiten.
    Von Warren Mears unterschätzt zu werden, war eine Sache, aber jetzt nützlich. Von ihrem Vater Anweisungen bezüglich ihres Umgangs zu erhalten, als gäbe es nichts Wichtigeres, als sei sie noch ein kleines Kind, frustrierte und kränkte sie. Selbst dieser Vergleich hinkte; während ihrer Kindheit hatte ihr Vater ihr immer die Gründe für Verbote erläutert. Und jetzt dies.
    Sie hatte gerade ihr Haar gefönt und bürstete es mit heftigen Strichen, als das Handy

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