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Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Er hauste seit Jahr und Tag in einer Hütte aus Ästen und Ziegenfellen, die kaum Schutz vor Wind und Wetter bot, und übte sich in Meditation und Askese. Ratsuchenden gab er Antwort, mied aber von sich aus jeden menschlichen Kontakt und hatte seine Zuflucht dem Vernehmen nach seit Jahrzehnten nicht mehr verlassen.
    Die Ältesten erreichten das von kahlen Felsen gesäumte Plateau um die Mittagszeit und fanden den Einsiedler in tiefe Meditation versunken. Er saß ein paar Meter abseits der Hütte regungslos in der prallen Sonne und hatte den Neuankömmlingen den Rücken zugewandt. Die Männer wagten nicht, ihn zu stören, und verharrten schweigend in gebührender Entfernung. Doch Loe Thai hatte ihre Ankunft längst bemerkt, blieb aber ruhig sitzen, um den Besuchern Gelegenheit zu geben, nach dem anstrengenden Anstieg wieder zu Atem zu kommen und ihre Gedanken zu sammeln. Schließlich erhob er sich mit unvermuteter Behändigkeit und wandte sich den Wartenden zu. Er neigte sein Haupt leicht zur Begrüßung und bedeutete ihnen mit einer Geste, näher zu treten. »Was führt euch zu mir, Männer aus den Dörfern des Shin Rai?«, erkundigte er sich mit sanfter Stimme, während sein Blick über ihre Köpfe hinweg in die Ferne gerichtet blieb. »Es muss euch wohl wichtig erscheinen, sonst hättet ihr die Mühe des Aufstiegs kaum so zahlreich auf euch genommen. Ich nehme an, ihr wollt mir etwas zeigen?«
    Die Ältesten sahen einander betroffen an und fragten sich, wie der Einsiedler das unscheinbare Bündel mit dem Säugling hatte entdecken können, das sie in einigem Abstand im Schatten abgelegt hatten.
    »So ist es, ehrwürdiger Loe Thai«, ermannte sich schließlich der Sprecher der Gruppe und trat einen Schritt vor. »Wir sind in tiefer Sorge …«
    Der weise Mann lauschte den Ausführungen des Ältesten mit ruhigem Interesse, ohne ihn zu unterbrechen oder Fragen zu stellen. Nur einmal huschte ein Schatten über sein Gesicht, als die Rede auf das Schicksal der unglücklichen Nang Sida kam.
    »Das ist in der Tat eine höchst bemerkenswerte Geschichte«, sagte er, als der Sprecher seinen Bericht beendet hatte. »Und ich bin dankbar und fühle mich geehrt, dass ihr die Mühsal des Weges auf euch genommen habt, um mich in dieser Angelegenheit ins Vertrauen zu ziehen. Ich fürchte allerdings, ihr seid zu hart mit dieser armen Frau verfahren, doch ich mache euch keinen Vorwurf, denn ihr tragt die Last der Verantwortung für viele Menschen. Ich habe eine Vermutung, was das Wesen der Kinder angeht, deren Schicksal in eure Hände gelegt wurde. Die meisten Dinge, die uns widerfahren, sind in grauer Vergangenheit schon einmal geschehen, und vielleicht hat das Große Rad auch in diesem Fall eine Umdrehung vollendet. Um aber jeglichen Irrtum auszuschließen, würde ich mir das Kind der armen Nang Sida gern genauer ansehen.«
    Die Ältesten beeilten sich, seinem Wunsch zu entsprechen, und so war das Bündel rasch herbeigeholt und dem weisen Mann übergeben. Das Baby hatte unterwegs kein einziges Mal geschrien und wehrte sich auch jetzt nicht dagegen, dass der Einsiedler es aus seinen Decken und in die Arme nahm. Eigentlich hätte das Kind übermüdet und hungrig sein müssen, aber anstatt zu schreien, lächelte es den fremden Mann an und streckte die Ärmchen nach dessen Gesicht aus, als suche es seine Berührung.
    »Und ich dachte, die Zeit der Zaramus sei vorbei«, murmelte der Einsiedler und lächelte gedankenverloren. Dann legte er das Kind vorsichtig zurück und bedeutete den Männern, es ihm abzunehmen und wegzubringen. Als das geschehen war, wandte er sich mit ernster Miene den Ältesten zu.
    »Dieses Kind ist wie vermutlich auch seine Halbschwestern etwas Besonders. Man könnte es mit einigem Recht als ›Geschenk der Götter‹ bezeichnen, obgleich ich Zweifel hege, dass seinen Erzeuger angesichts seiner Übertretungen höheren Ortes Dank erwartet. Eine Sorge kann ich euch in jedem Fall nehmen: Die Bewohner der unteren Welten haben mit diesen Kindern nichts zu schaffen. Sie werden ihnen im Gegenteil aus gutem Grund aus dem Weg gehen. Euer Volk jedoch kann sich glücklich schätzen ob dieser unverhofften Gabe, dennoch muss ich euch warnen: Es hängt ausschließlich von euch selbst ab, ob sie sich als Segen oder als Fluch erweist. Diese Kinder werden euch viel Kummer und Kopfzerbrechen bereiten, aber wenn ihr ihr Heranwachsen mit Geduld und Nachsicht begleitet, werden sie eurem Volk nützlicher sein als jeder noch so mächtige

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