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Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Das Todes-Labyrinth (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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er keinen klaren Gedanken mehr zu fassen.
    »Entschuldige«, murmelte er unglücklich. »Das war alles ein bisschen viel. Ich würde mich gern eine Weile ausruhen. Wir reden später.«
    »Geh nur, Johnny«, erwiderte die Frau mit einem mitleidigen Lächeln. »Ich weiß, dass es schwer zu akzeptieren ist, eigentlich gar nicht. Aber das ist nun einmal der Preis.«
    John Varley nickte und stand auf. Erleichtert registrierte er, dass seine Beine sein Gewicht aushielten. Also würde er es auch bis zur Kabine schaffen. Allein.
    Irgendetwas stimmt nicht mit mir , dachte die Frau, als Johnny den Raum verlassen hatte. Sie forschte nach der Ursache ihres Unbehagens, fand aber nichts, was objektiver Betrachtung standgehalten hätte. Zurück blieb ein unbestimmtes Gefühl der Trauer, nicht wirklich schmerzhaft, eher wie ein Schatten, der unmerklich näher kroch wie ein grauer Dunstschleier am Horizont. Die Idee, dass es mit John Varley zu tun haben könnte, hatte ihr kritischer Verstand rasch verworfen. Ailin mochte Johnny, aber er war kein Teil ihres Lebens. Dafür war die Zeit, die ihm zugemessen war, zu kurz – wenn kein Wunder geschah … Vielleicht war es ein Fehler gewesen, ihm ihre Geschichte zu erzählen. Andererseits hatte er ja selbst darauf bestanden. Also würde Johnny auch einen Weg finden, damit umzugehen – aus vielerlei Gründen. Ailin Ramakian lächelte traumverloren und genoss die Wärme, die die Erinnerung in ihr auslöste.
      
    Von einer ähnlich pragmatischen Sicht der Dinge war John Varley derweil allerdings weit entfernt. Obwohl er die Szene aus unmittelbarer Nähe beobachtet hatte und keineswegs zu Halluzinationen neigte, konnte und wollte er nicht glauben, was er gesehen hatte.
    John hatte zwar nur vage Vorstellungen von den Mechanismen der Wundheilung, dennoch schloss er einen natürlichen Vorgang aus. Immerhin dauerte es normalerweise mehrere Tage oder sogar Wochen, bis eine Wunde dieser Art verheilt war, und auch dann blieben Spuren zurück. Also war er entweder einem geschickten Taschenspielertrick zum Opfer gefallen oder Ailins Geschichte hatte tatsächlichen einen realen Hintergrund. Mit Variante eins konnte er sich zur Not noch arrangieren, nicht aber mit der Vorstellung, dass die Frau, mit der eben noch geschlafen hatte, kein menschliches Wesen war.
    Johnny glaubte nicht an irgendwelche übernatürliche Geschöpfe, egal ob Götter, Engel, Geister oder Dämonen. Derlei gehörte zur Folklore primitiver Gesellschaften wie der des fernöstlichen Bergvolkes, von dem Ailins Geschichte handelte. Für Johnny war es ein gut ausgedachtes Schauermärchen gewesen, das ihn aus den vorgenannten Gründen aber kaum beeindruckt hatte. Vielleicht hatte sich Ailin durch seine Skepsis provoziert gefühlt und ihm deshalb diesen Streich gespielt? Möglicherweise war sie ja nicht nur ESP -begabt, wie der Pilot auf Patonga behauptet hatte, sondern sogar eine Art Telepathin? Das würde zumindest erklären, wie die Bilder der angeblichen Wunderheilung in sein Bewusstsein gelangt waren, auch wenn diese besondere Form der mentalen Beeinflussung bislang kaum wissenschaftlich erforscht war.
    Natürlich war auch diese Erklärung anfechtbar, aber immer noch leichter zu akzeptieren als eine ewig junge, männerverschlingende Halbgöttin, die sich ausgerechnet ihn zum Gefährten erwählt hatte. Allein die Vorstellung war absurd …
    Angesichts dieser Unmöglichkeit war John schon fast bereit, sich mit dem Tatbestand einer bewusst herbeigeführten Sinnestäuschung abzufinden, als ihm ein beunruhigender Gedanke kam: Was, wenn es gar nicht Ailin war, die sein Bewusstsein manipulierte?
    Er versuchte, ihn abzuschütteln, indem er eine ganze Reihe durchaus plausibler Argumente dagegen ins Feld führte, doch ein Rest an Verunsicherung blieb. Das Problem bestand darin, dass es unmöglich war, den Gegenbeweis anzutreten. John konnte die Vermutung noch so weit von sich weisen, sich sogar vornehmen, zukünftig keinen Gedanken mehr darauf zu verschwenden, es würde kaum helfen: Einmal mit dem Virus des Zweifels infiziert, konnte er fortan nie mehr sicher sein, dass seine Wahrnehmungen die Realität wiedergaben …
    Die Vorstellung war so deprimierend, dass Johnny beinahe dankbar war, als ihn der Rufton des Compads aus seinen Grübeleien riss. Die Schiffsintelligenz meldete, dass sich die Diana der Zielregion nähere und in Kürze bereit sein würde, in den Orbit von Stamfani einzuschwenken. John sprang auf, richtete seine Kleidung und

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