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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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mache?«, fragte Roberta Ortega Miriam gähnend, nachdem sie die Tagesauswertungen noch einmal gemeinsam durchgesehen hatten.
    Miriam zuckte mit den Schultern: »Schlafen gehen?«
    »Nicht ganz, aber fast«, grinste die Spanierin. »Ich nenne ihn León«, fügte sie in verschwörerischem Tonfall hinzu. »Und er ist auch einer …«
    Beide kicherten wie Schulmädchen, und seltsamerweise fühlte sich Miriam danach besser.
    Am nächsten Morgen hob die Kommandantin die am Vortag angewiesene Funkstille auf, und wenig später gaben die Techniker die abhörsichere Engstrahlverbindung zur Basis frei.
    Es tat gut, Raymond zu sehen und seine Stimme zu hören, auch wenn es nicht viel mehr als allgemeine Informationen waren, die Miriam und er bei ihrem ersten Gespräch austauschten. Auf dem Stützpunkt waren die verbliebenen Truppenteile damit beschäftigt, potemkinsche Kulissen zu errichten und die Evakuierung vorzubereiten. Sonst gab es nichts Neues. Miriam beschrieb die Schwierigkeiten bei den anstehenden Versuchen, das »Rattenloch« ausfindig zu machen. Es gab keine etablierte Möglichkeit, einen unmarkierten Transferpunkt von vielleicht 500 Yards Durchmesser mit technischen Mitteln zu orten. Innerhalb eines Raumsektors von etwa 30 Milliarden Kubikmeilen Volumen glich die Suche der nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Wahrscheinlich würden sie sich auf einen sehr langen Aufenthalt einstellen müssen. Miriam bemühte sich, ihre Stimme zuversichtlich klingen zu lassen, aber Farr ließ sich nicht täuschen.
    »Ich vermisse dich genauso«, sagte er leise und räusperte sich. »Bis bald.«
    »Bis bald«, verabschiedete sich Miriam und schluckte die Tränen hinunter. Dann wurde der Bildschirm dunkel.
    »Nicht weinen, Kindchen«, ließ sich Ortega in erstaunlich sanftem Tonfall vernehmen. »Immerhin bist du die Prinzessin hier, und Prinzessinnen bekommen am Ende immer, wonach ihnen der Sinn steht. Es dauert nur manchmal ein Weilchen.«
    »Im Märchen, Kommandantin«, versetzte Miriam rau. »Und das hier ist keins.«
    »Doch«, widersprach die Frau, die vor zwanzig Jahren mit einem einzigen Fallschirmjäger-Regiment den Maurenaufstand auf Nueva Canaria niedergeschlagen hatte. »Es ist eine Geschichte von Liebe und Tod wie jeder Krieg. Ich bin im Übrigen für die Rubrik Tod zuständig, leider.«
    Miriam sah die Ältere verblüfft an, sagte aber nichts. Insgeheim hoffte sie, die Kommandantin würde den Ernst ihrer Worte mit einem Scherz relativieren, aber Ortega tat ihr diesen Gefallen nicht.
    Erst später begriff Miriam, dass sie eine Lektion erhalten hatte – eine Lektion in Demut und Geduld. Das große Warten aber hatte gerade erst begonnen …
        

Die Gänse des Kapitols

    Als die Fernortung eine anfliegende Nomadenstadt meldete, reagierte Farr in einer Mischung von Erleichterung und Besorgnis. Erleichterung empfand er, weil es die erste Stadt von draußen seit vielen Monaten war, was seine unausgesprochenen Befürchtungen zumindest teilweise relativierte. Besorgnis deswegen, weil sich schnell herausstellte, dass dieser Besuch vielleicht nicht ganz unproblematisch verlaufen würde.
    Die Stadt identifizierte sich als »Mario Morcelli«, was sich zunächst nach einem weniger gelungenen Scherz anhörte. Für eine Zirkusstadt war es jedoch ein üblicher Name, sodass Farr sich sogar einbildete, ihn irgendwann schon einmal gehört zu haben. In seiner fast dreißigjährigen Dienstzeit auf Pendragon Base hatte er nicht wenige derartige Unternehmungen kennengelernt, deren Aufenthalt auf dem Stützpunkt stets für Aufsehen und zumeist auch für eine gewisse Unruhe gesorgt hatte.
    Das lag in erster Linie daran, dass der Begriff »Zirkus« von einigen Betreibern recht großzügig ausgelegt wurde und häufig genug für ein Sammelsurium von Amüsierbetrieben stand, das von illegalen Casinos über betont freizügige Varietéveranstaltungen bis hin zur gewerbsmäßigen Prostitution reichte. Für die Mannschaften bedeuteten diese Angebote eine willkommene Abwechslung, für die lizenzierten Dienstleister dagegen ein Ärgernis und massiven Einkommensverlust. Dazu kamen die üblichen Begleiterscheinungen wie Schlägereien, Taschendiebstähle und Infektionen aller Art, sodass zumindest die disziplinarisch Verantwortlichen die Zirkusleute lieber gehen als kommen sahen.
    Zum Glück schien es sich bei den Morcellis um ein Unternehmen der solideren Art zu handeln. Das zumindest versicherte ihm der Direktor und Bürgermeister in

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