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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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Ich brauche ein optimiertes Evakuierungsszenario für das gesamte Personal inklusive N-Raum-Transfer. Im Extremfall müssen wir sehr viel schneller von hier verschwinden, als jedem von uns lieb ist.«
    »Bestimmt nicht wegen dieser fragwürdigen 86 Prozent …«, grollte Ortega, die das Ganze wohl doch nicht so recht verstanden hatte. Sie war zweifellos eine hochmotivierte, entscheidungsfreudige Kommandantin, aber offenbar kein Leuchtfeuer intellektueller Brillanz.
    »Nein, Ma’am, aber wegen der hundertprozentigen Sicherheit, mit der sich die ›stählerne Stadt‹ in einem Ionenschauer auflösen wird, wenn wir unser Überraschungsei zünden.«
    Ortega nickte zerknirscht, und Farr nutzte die Gelegenheit ausbleibenden Widerspruchs, um die Termine für die Vorlage der Zuarbeiten festzulegen. Die Offiziere hatten die Daten kaum abgespeichert, da wurden sie auch schon mit einem vagen Hinweis auf die nächste Zusammenkunft verabschiedet. Die meisten erschienen etwas überfordert, als sie den Besprechungsraum verließen.
    »Musste das sein?« Miriam hatte die Stimme nicht erhoben, aber ihr Lächeln wirkte wie festgefroren.
    »Allerdings«, rechtfertigte sich Farr. »Erstens lässt sich so etwas ohnehin nicht geheim halten, und zweitens waren unsere Freunde von da an in der Defensive.«
    »Das macht es nicht besser«, stellte die Frau fest. »Im Gegenteil.«
    »Ich weiß«, sagte Farr. »Und es tut mir leid.«
    »Du warst sehr überzeugend. Aber ehe der Hahn dreimal kräht, werden sie dich bei der Admiralität anschwärzen, wenn der Bluff mit dem Burgon-System herauskommt.«
    »Für mythologische Metaphern bin ich zuständig, und es ist kein Bluff.«
    »Du weißt, wo sie herkommen?« Ihre Stimme klang heiser, aber das war es nicht, was ihn erschreckte. Es waren ihre Augen. Sie glänzten schwarz und ohne jeden Ausdruck – wie dunkle Steine.
    »Noch nicht, aber wir haben eine Chance, es herauszufinden. Wenn ihr es nicht schafft, Zimmermann und du, dann muss es Ortega übernehmen.«
    » Was können wir herausfinden, das ein paar Hundert Analysten entgangen sein soll?«
    »Wie die Burgons damals entkommen sind. Sie waren nach unserem ersten Angriffsschlag sehr schnell verschwunden – zu schnell. Die Flotte hat ausschließlich jene sieben Schiffe – oder Wesen – vernichtet, die Christophs Falken angegriffen haben.«
    »Und wenn es gar nicht mehr waren?«
    »Balinas meinte, es wären mehr gewesen – viel mehr. Also muss es etwas geben, das empfindlichere Sinne als unsere durchaus wahrnehmen können. Es gibt keine perfekte Tarnung.«
    »Wie sollen wir vorgehen?« Ihr Pragmatismus beeindruckte ihn einmal mehr.
    »Ich habe das Zentralarchiv gebeten, uns das gesamte Bildmaterial zu kopieren, das damals aufgezeichnet wurde. Eine derartige Datenmenge ist mittels Dirac-Transfer nicht zu bewältigen, also werden sie ein Kurierschiff schicken. Und deine Freunde sollten dafür sorgen, dass noch etwas anderes mit an Bord sein wird.«
    Die Frau sah ihn an, lange, und als sie zu einer Entscheidung gekommen war, spielte ein versonnenes Lächeln um ihre Lippen.
    »Einverstanden – unter einer Bedingung.«
    Farr fragte nicht nach. Er hatte ohnehin nie Zweifel an Miriams Entschlossenheit gehabt. Es schmerzte dennoch.
    »Ob es wirklich dazu kommt, hängt nicht nur von uns ab«, erwiderte er schließlich.
    »Von wem sonst?«
    »Von den Gänsen natürlich – den Gänsen des Kapitols …«
      
    Am Abend gingen sie zum ersten Mal gemeinsam aus. Sie besuchten ein italienisches Weinlokal, von dessen Terrasse aus man die Sterne sehen konnte. Sie tranken Chianti, gereift unter einer fernen Sonne, der wie Blut in den Gläsern schimmerte.
    »Ob sie uns sehen können?«, fragte Miriam irgendwann, den Kopf an seine Schulter gelehnt.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte er, jedes Wort abwägend. »Aber wir sind ihnen nichts schuldig.«
    »Danke«, sagte sie nach einer Weile, aber als er seinen Arm um sie legte, zitterte ihr Körper wie unter einem Hauch von Frost.
      
    Zwei Standardjahre später, drei Monate nach seinem Aufbruch, erreichte der Flottenverband unter dem Kommando von Lieutenant Colonel Ortega die Region von Joyous Gard. Die Theaterstadt war natürlich nicht mehr dort. Sie war mit Spendenmitteln instand gesetzt und rekonstruiert worden und pendelte, besetzt von einem Schauspieler-Ensemble und Hunderten freiwilliger Statisten, zwischen den äußeren Kolonialplaneten und der alten Welt. Das einzige Stück in ihrem Repertoire – eine

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