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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank W. Haubold
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weiß nicht, wie Procturro und seine Leute davon erfahren haben. Aber weshalb hätten sie Sebastian sonst umbringen sollen? Sie müssen ihm dort oben aufgelauert haben.«
    »Das dürfte schwer zu beweisen sein …«
    »Es ist gar nicht zu beweisen«, erwiderte sein Begleiter ruhig. »Der Orden wird sich in dieser Angelegenheit nicht engagieren. Für die Oberen ist Sebastian ein Abtrünniger, der nur durch die Umstände daran gehindert wurde, eine Todsünde zu begehen. Und das Schlimme ist: Sie haben recht.«
    »Und Sie haben wirklich keinerlei Vorstellung, weshalb er das getan hat?«
    »Nichts, was konkret genug wäre, um ein Motiv abzugeben. Natürlich ist mir aufgefallen, dass er sich in den Monaten davor verändert hat. Er hat zuletzt ja kaum noch gesprochen. Bis er dann plötzlich verschwunden war.«
    »Ohne eine Nachricht zu hinterlassen? Immerhin waren Sie doch sein Bruder.«
    »Eine Nachricht würde ich es kaum nennen«, erwiderte der Pater und zog etwas aus seiner Brusttasche. Es war ein abgegriffenes Stück Papier, das er sorgfältig glattstrich, bevor er es Farr reichte. Es enthielt nur fünf Worte in sauberer Druckschrift:
Non nobis solum nati sumus,

    und darunter ein kaum leserliches Unterschriftskürzel.
    »Ein Zitat von Cicero«, erklärte der Ordensmann, als er Farrs fragenden Blick bemerkte. »Wir sind nicht für uns allein geboren.«
    »Das klingt, als hätte er gewusst, dass er nicht zurückkehren würde. Selbst wenn der Anschlag geglückt wäre.«
    Pater Markus nickte. »Er hatte sich entschieden. Sebastian war schon immer der Stärkere von uns beiden.«
    Sie schwiegen eine Zeit lang, während sie durch die Dämmerung marschierten. Im Kloster vor ihnen leuchteten bereits die Laternen und tauchten die Mauern in warmes gelbes Licht. Es war ein tröstlicher Anblick, der Farr beinahe vergessen ließ, dass dieser friedliche Ort nur um Haaresbreite der Vernichtung entgangen war. Und Pater Markus hatte recht: Niemand wusste, ob die Gefahr tatsächlich vorüber war …
    »Was ist das für eine Entscheidung, die Sie treffen müssen?«, fragte er schließlich, ohne den Blick von den Klostermauern abzuwenden.
    »Wir müssen reagieren«, sagte der Pater leise. »Agion Oros ist nicht mehr sicher.«
    »Wie reagieren?«
    »Ich dachte, das wüssten Sie«, erwiderte der Ordensmann ausweichend. »Außerdem hängt die letzte Entscheidung nicht von mir ab.«
    Also noch ein Geheimnis, dachte Farr verstimmt. Und vermutlich nicht das letzte.
    Sie marschierten weiter, bis der Pater unvermittelt das Schweigen brach:
    »Also gut, Commander, reden wir offen, auch wenn ich damit wohl meine Kompetenzen überschreite …«
    »Nur zu, aber ich möchte nicht, dass Sie sich meinetwegen Schwierigkeiten einhandeln.«
    »Das ehrt Sie«, erwiderte der Pater amüsiert. Wahrscheinlich lächelte er sogar, aber es war zu dunkel, um sein Gesicht zu erkennen. »Aber wissen möchten Sie es natürlich trotzdem …«
    »Stimmt«, gab Farr zu.
    »Dann müssen Sie mir etwas versprechen …«
    »Ich weiß. Sie haben mein Wort.« Das klang feierlicher, als er beabsichtigt hatte, und vielleicht war es ja tatsächlich nur die Abendkühle, die ihn frösteln ließ dabei. Aber ihm war etwas klar geworden, das er sich unter anderen Umständen niemals eingestanden hätte: Er wollte dazugehören, irgendwie, obwohl so gut wie alles dagegensprach. Nur deshalb hatte er darauf bestanden, dass Pater Markus sein Wissen mit ihm teilte. Und so vermochte ihn die Antwort des Ordensmannes auch nicht zu überraschen, obwohl er sie noch bis vor wenigen Tagen für absolut unmöglich gehalten hätte:
    »Agion Oros ist eine fliegende Stadt.«
        

Ein alter Freund

    John Fitzgerald Varley war ein vorsichtiger Mann, der sein Geschäft mit wissenschaftlicher Akribie betrieb. Bevor er einen Auftrag übernahm, befragte er stets das Orakel und lehnte dankend ab, wenn das Risiko hinsichtlich zu erwartender Unannehmlichkeiten oberhalb des Promillebereichs lag.
    Das Orakel hieß James und war eine KI der vierten Generation, die Johnny selbst ausgebildet hatte. James war mitunter etwas launisch, was sein Besitzer mit einer gewissen Wetterfühligkeit erklärte, die vielen semibiologischen Intelligenzen zu eigen war. Die Launenhaftigkeit des Orakels wirkte sich jedoch nie auf die Zuverlässigkeit seiner Analysen aus, wohl aber auf sein Kommunikationsverhalten, das man ohne Übertreibung als gewöhnungsbedürftig bezeichnen konnte.
    Im Lauf der Jahre hatten sich Johnny und

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